Israelischer Botschafter in Neukölln: Perfekt abgeschirmt durch Neukölln

Der israelische Botschafter besucht die Sonnenallee, nachdem häufiger antiisraelische Plakate gesichtet wurden. Den Menschen dort begegnet er nicht.

Martin Hikel und Ron Prosor umgeben von Sicherheitsbeamten auf der Sonnenallee

Sieht nur wie ein ganz normaler Spaziergang aus Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

BERLIN taz | Wo die Weichselstraße die Sonnenallee kreuzt, also zwischen City Chicken, Bio Company, Netto und Mr. Grill, stehen zwei Polizeiwannen, die darum herum verteilten BeamtInnen wirken nervös. „Kommt wohl 'ne Demo“, sagt eine Frau am Eingang zum Biomarkt. Was sie ebensowenig weiß wie alle anderen hier: Der israelische Botschafter Ron Prosor hat sich angekündigt.

Dann geht ein Ruck durch die PolizistInnen: Schwarze Limousinen nähern sich aus Richtung Karl-Marx-Straße, dann geht Prosor die letzten Schritte zur Ecke, neben ihm Bezirksbürgermeister Martin Hikel. Während sich schrankgleiche LKA-Männer um die beiden aufbauen, zeigt Hikel dem Besucher eine Reihe von Fotografien in einer schwarzen Mappe.

Abgebildet sind darauf Plakate, wie sie an der Sonnenallee zuletzt öfter zu sehen waren: Solidaritätsaufrufe mit palästinensischen Gefangenen, auch die Verherrlichung von Raketen auf Israel. Die B.Z. hatte darüber berichtet, Prosor selbst hatte den Artikel auf Twitter geteilt und dazugeschrieben: „Als ich vor einem knappen Jahr hier angekommen bin, hätte ich nicht erwartet, dass die Straßen von Neukölln denen von Gaza derart ähneln.“

Die Plakate stammen von der Gruppe Samidoun, die an Ostern auch eine Demo anmeldete, auf der antiisraelische sowie antisemitische Parolen gerufen worden sein sollen. Zwei weitere Kundgebungen wurden dann von der Polizei verboten – was eine Gruppe aus jüdischen und israelischen BerlinerInnen als diskriminierend und antidemokratisch kritisiert wurde.

Der Botschafter ist sich jedenfalls sicher, dass Poster und Parolen der Ausdruck kleiner, terroristischer Gruppen sind: „Die schweigende Mehrheit sind anständige Leute“ – gemeint ist natürlich die arabische Community in Neukölln. Samidoun müsse als Terrororganisation eingestuft und verboten werden, damit „befreie“ man auch alle anderen.

Hikel gibt zu Protokoll, dass die Demonstrationen „grenzwertig“ gewesen seien. „This is no fun, this is supporting terrorism“, sagt er zu den Plakatierungen in ein Mikro. Er verweist darauf, dass der Bezirk im Rahmen des Migrationsrats im Gespräch mit vielen Vereinen sei. Gleichzeitig habe Neukölln die Partnerschaft mit der israelischen Stadt Bat Yam reaktiviert.

Lebende Mauer vor der Shishabar

Dann geht es zu Fuß die Sonnenallee entlang: Zwei Dutzend uniformierte PolizistInnen, ein halbes Dutzend LKA-Personenschützer und eine nicht genau bezifferbare Menge auffällig unauffälliger Männer umgeben Prosor und Hikel wie ein Schutzschild, die Straße ist für den Verkehr abgeriegelt. Zum Kontakt mit den Menschen, die hier leben, kommt es nicht. Als der Tross eine Shishabar passiert, bilden die Uniformierten eine lebende Mauer zu den Männern, die davor sitzen und rauchen.

An Ende trinken Prosor und Hikel einen Kaffee in der Pannierstraße: nicht etwa vor der syrischen Palast-Konditorei, sondern vor der „Croissanterie“, dem mutmaßlich letzten Überbleibsel hier aus der Zeit, bevor die Sonnenalle arabisch und die Weserstraße verhipstert wurde.

Eines kann der menschliche Schutzschild dann nicht verhindern: Drei junge Männer, die gegenüber frühstücken, bekommen mit, was los ist, und improvisieren eine Protestnote: Sie schreiben mit grünem Nagellack „Free Palestine“ auf eine Serviette und lassen sie vom Tischrand flattern.

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