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Israelische Siedler greifen Medien anAn der Arbeit gehindert

Im Westjordanland sind Jour­na­lis­t*in­nen des US-Senders CNN von extremistischen Siedlern angegriffen worden. Das ist kein Einzelfall.

Radikale israelische Siedler werfen Steine auf palästinensische Dorfbewohner in Turmusaya, Westjordanland Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Eigentlich sollten Jeremy Diamond und seine Kol­le­g*in­nen über den Tod eines US-palästinensischen 20-Jährigen in einem kleinen Dorf des Westjordanlandes berichten. Doch plötzlich waren sie die Nachricht.

Diamond und sein Team, die im Auftrag des US-Senders CNN unterwegs waren, befanden sich gerade auf den sonnigen Hügeln nördlich von Ramallah, dem palästinensischen Verwaltungssitz, als Siedler sie attackierten. Der US-Journalist postete in sozialen Medien Bilder von seinem Wagen nach dem Angriff. Die Heckscheibe sieht komplett zerschlagen aus. „Das ist nur ein Bruchteil der Realität, die viele Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Westjordanland unter der steigenden Siedlergewalt erleben“, schrieb er. Die CNN-Journalist*innen sind unverletzt geblieben.

Die Anzahl der Angriffe durch extremistische Siedler nimmt im Westjordanland rasant zu. Sayfollah „Saif“ Musallet, der 20-jährige US-Amerikaner palästinensischer Herkunft, über den das Team berichten wollte, wurde angeblich von israelischen Siedlern zu Tode geprügelt. In Sinjil, einem 6.000-Seelen-Dorf, eingenistet zwischen Olivenhainen und Hügeln. Bei denselben Tumulten starb ein weiterer palästinensischer Mann. Musallets Familie wirft den Israelis vor, dem Krankenwagen stundenlang den Weg versperrt zu haben, sodass jede Hilfe für den jungen Mann zu spät kam.

Als Sied­le­r*in­nen gelten israelische Staatsbürger*innen, die im besetzten Westjordanland leben. Teilweise in Siedlungen, die wie kleine Dörfer organisiert sind, teilweise in Außenposten – Farmen oder wilden Caravan-Lagern, manchmal ohne Anschluss an das Strom- und Wassernetz. Unter internationalem Recht sind beide illegal. Israel erkennt hingegen die Siedlungen an. Die aktuelle rechtsreligiöse Regierungskoalition hat in den vergangenen Jahren den Ausbau stark vorangetrieben.

Auch gegen westliche Medienschaffende richtet sich zunehmend die Wut extremistischer Siedler. Eine Woche zuvor war ein Team der Deutschen Welle Zielscheibe geworden. Sie mussten vor den Steinen wegrennen, die auf sie zuflogen. Das Auto wurde beschädigt.

Die Vereinigung der Auslandspresse in Israel forderte in einer Stellungnahme die israelische Regierung dazu auf, die Medienfreiheit im Lande zu verteidigen. Die Behörden sollten „die Sicherheit der Journalisten gewährleisten und die Angreifer verfolgen, anstatt sie zu beschützen“. Ähnliches kam vom Deutschen Journalisten-Verband.

Pressefreiheit in Gefahr

„Es kann nicht sein, dass radikale Siedler ungestraft Jagd auf Medienschaffende machen. Das darf nicht ohne Folgen bleiben“, sagte der Bundesvorsitzende Mika Beuster. Bislang soll niemand für die Angriffe auf die Jour­na­lis­t*in­nen verhaftet worden sein.

Der Raum für Pressefreiheit schrumpft. Während des Konflikts mit dem Iran forderte die Regierung von den Medien, Erlaubnis vom Militärzensor zu erfragen, bevor sie über den Ort eines iranischen Raketeneinschlags berichten. Alle Medien mussten den Militärzensor kontaktieren, wenn sie über getroffene Militärinfrastruktur schreiben wollten. Alle Beiträge, die sich mit nationalen Sicherheitsthemen befassen, sollen die Zensur passieren. Ein neues Gesetz erlaubt es der Regierung, ausländische Medien zu verbannen, die eine „Sicherheitsbedrohung“ darstellen.

Vorfälle, in die israelische Sol­da­t*in­nen und westliche Jour­na­lis­t*in­nen involviert waren, hat es zuletzt ebenfalls gegeben. So haben Streitkräfte am 28. Mai in Dschenin neben einem Pressewagen Warnschüsse abgegeben. Am 2. Juni haben vermummte Sol­da­t*in­nen den Besuch von Masafer Yatta durch internationale Jour­na­lis­t*in­nen verhindert. Der Ort im südlichen Westjordanland ist oft Schauplatz von Siedlergewalt und Hausabrissen durch das israelische Militär.

Zum Vorfall in Dschenin sagt eine Sprecherin des Militärs auf Anfrage: „Keine Schüsse richteten sich gegen das Auto der Journalist*innen.“ In Masafer Yatta habe das Militär Menschen, die für Unruhen sorgen könnten, den Zutritt zum Gebiet verweigert. „Das Dorf Khirbet al-Dabaa ist auf einem militärischen Trainingsgebiet aufgebaut und der Zugang ist untersagt“, so die Sprecherin.

Schlimmer ergeht es palästinensischen Reporter*innen. „Diese Angriffe geschehen in einer Zeit, in der unsere palästinensischen Kol­le­g*in­nen mit zunehmenden Bedrohungen und Gewalt seitens der Siedler und der israelischen Streitkräfte konfrontiert sind“, schrieb die Vereinigung der Auslandspresse in Israel. Laut International Federation of Journalists sind in Gaza seit Beginn des Krieges mindestens 171 Medienschaffende getötet worden.

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5 Kommentare

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    Die Moderation             

  • Die, wie immer wieder gerne betont wird, "einzige Demokratie im Nahen Osten" rutschte in der Rangliste der Pressefreiheit von RSF im Jahr 2025 auf Rang 112 (schwierige Lage) ab gegenüber dem auch schon wenig schmeichelhaften Platz 101 im Jahr 2024. Journalisten werden systematisch an ihrer Arbeit gehindert, zensiert und diskreditiert.

  • Das ist das Ergebnis einer Regierung Netanjahu. Einer Regierung die mit Terrorismus Politik macht. Die Taten der Siedler werden seit langer Zeit geduldet, immer mehr Land wird okkupiert. Frieden it nicht das Ziel. Sondern Vertreibung und Landgewinn.

  • Erst die Zeugen wegmobben, dann im Stillen die Gewalt aufdrehen - die landraubende Bosheit hat Methode.



    Umso mehr berichten - danke, taz!

  • Solange zumindest die westliche, wertegesteuerte (?) Welt den Völkerrecht verachtenden und undemokratischen Akteuren unter den Israelis keinen Einhalt gebietet, solange wird auch die Pressefreiheit weiter von denen bekämpft, genauso wie das Völkerrecht und die Menschenrechte weiter ignoriert wird. Standartausrede: "Wir müssen uns verteidigen." Standartreaktion der Regierungen: Keine.