piwik no script img

Israel-Palästina-KonfliktErneut Gewalt in Scheich Dscharrah

In Ostjerusalem provoziert ein israelischer Abgeordneter, indem er ein „Büro“ errichtet. Bei Protesten dagegen werden Dutzende Menschen verletzt.

Itamar Ben Gvir, rechtsextremer Parlamentsabgeordneter, am Sonntag in Scheich Dscharrah Foto: dpa

Jerusalem afp | Bei einem Besuch des umstrittenen israelischen Abgeordneten Itamar Ben Gvir in Ostjerusalem ist es am Sonntag zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei gekommen. Zwölf Menschen wurden nach Polizeiangaben beim Vorgehen gegen „einen gewalttätigen Aufstand“ im Viertel Scheich Dscharrah festgenommen. Ben Gvir hatte in dem palästinensischen Stadtviertel ein Zelt als „Büro“ aufgestellt, bei den Protesten dagegen wurden Dutzende Menschen verletzt.

Scheich Dscharrah gilt als ein Zentrum des palästinensischen Widerstands gegen israelische Landnahme. Palästinensern droht im annektierten Ostjerusalem oft die Zwangsräumung, die Grundstücke gehen dann an jüdische Siedler. Mittlerweile leben mehr als 200.000 Menschen in völkerrechtlich illegalen israelischen Siedlungen in Ostjerusalem.

Der jüdische Nationalist Ben Gvir wirft der Polizei vor, jüdische Siedler in Scheich Dscharrah nicht ausreichend vor gewaltbereiten Palästinensern zu schützen. „Jüdische Leben sind wertlos geworden“, schrieb er vor seinem Besuch auf Twitter. Das Mitglied der Partei Religiöse Zionisten ist ein erklärter Bewunderer des jüdischen Attentäters Baruch Goldstein, der 1994 in Hebron 29 Palästinenser ermordete.

Reportern vor Ort sagte Ben Gvir, er werde in Scheich Dscharrah bleiben, bis die Polizei für Sicherheit sorge. Am Abend warf er den Sicherheitskräften vor, sein „Büro“-Zelt zerstört zu haben.

EU: „Unverantwortliche Provokationen“

Die Palästinensische Autonomiebehörde im israelisch besetzten Westjordanland verurteilte den Besuch Ben Gvirs als „provokanten und eskalierenden Schritt, der Gewalt auszulösen droht, die nur schwer zu kontrollieren sein wird“. Laut dem Roten Halbmond wurden durch den Einsatz von Wasserwerfern und Gummigeschossen am Sonntag 31 Palästinenser, darunter ein Kind, verletzt. Ein AFP-Reporter sah einen verletzten Polizisten.

Die EU-Vertretung in den Palästinensergebieten erklärte im Kurzbotschaftendienst Twitter, dass „unverantwortliche Provokationen und andere eskalierende Handlungen in diesem sensiblen Gebiet die Spannungen nur weiter anheizen und beendet werden müssen“.

Im vergangenen Mai hatte eine Räumungsklage gegen Palästinenser in Scheich Dscharrah massive Spannungen ausgelöst und zu mehrtägigen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen im Gazastreifen und der israelischen Armee geführt. Mehr als 250 Menschen starben und mehr als 2.000 wurden verletzt, die meisten von ihnen Palästinenser.

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hat bereits mit „Konsequenzen“ wegen der anhaltenden „Angriffe“ Israels auf Scheich Dscharrah gedroht. Am Samstag waren bei Unruhen in dem Viertel sechs Menschen festgenommen worden. Palästinenser in Ostjerusalem beschuldigen die israelische Polizei, Proteste mit harter Hand zu unterdrücken.

Israel hatte Ostjerusalem im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert und später in einem von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannten Schritt annektiert. Die Palästinenser beanspruchen das Gebiet als Hauptstadt eines künftigen Staates.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare