Islamismus in Bangladesch: Todesurteil für Parteichef
1971 sagte sich Bangladesch von Pakistan los. Tausende starben im Unabhängigkeitskrieg. Einer der Verantwortlichen wurde jetzt verurteilt.
DHAKA ap | Der Vorsitzende der größten islamistischen Partei in Bangladesch ist für Verbrechen während des Unabhängigkeitskriegs von 1971 zum Tode verurteilt worden. Das Urteil fällte ein dreiköpfiges Sondertribunal am Mittwoch. Dem 71-jährigen früheren Minister Motiur Rahman Nizami waren unter anderem Völkermord, Mord, Folter, Vergewaltigung und die Zerstörung von Eigentum vorgeworfen worden. Die Verteidigung kündigte einen Einspruch gegen das Urteil an.
Nizami selbst nahm den Spruch der Richter im voll besetzten Gerichtssaal in Dhaka emotionslos entgegen. Seine Partei Jamaat-e-Islami lehnte das Urteil ab und rief zu einem landesweiten Generalstreik für Donnerstag, Sonntag und Montag auf. Freitag und Samstag ist Wochenende in Bangladesch. In Dhaka patrouillierten bereits zur Urteilsverkündung am Mittwoch verstärkt Polizei und paramilitärische Einheiten, um Unruhen wie bei früheren Prozessen gegen islamistische Parteiführer zu verhindern. Nizami war bereits im Januar wegen Waffenschmuggels mit Indien zum Tode verurteilt worden.
Bangladesch gehörte früher zu Pakistan, obwohl es keine direkte Landverbindung gibt. Während des Unabhängigkeitskriegs von 1971 sollen pakistanische Soldaten mit Unterstützung von Kollaborateuren etwa drei Millionen Menschen getötet haben. 200.000 Frauen wurden vergewaltigt, zehn Millionen Menschen brachten sich in Flüchtlingslagern im benachbarten Indien in Sicherheit.
Der Staatsanwaltschaft zufolge war Nizami damals Anführer der Miliz Al-Badr, die systematisch gegen Befürworter der Unabhängigkeit vorging. Sie soll Dutzende Menschen, unter ihnen Lehrer, Journalisten und Ingenieure, entführt, gefoltert und getötet haben, bevor Pakistan sich schließlich am 16. Dezember 1971 den Truppen Indiens und Bangladeschs ergab. Nizami war damals auch Vorsitzender des Studentenvereinigung von Jamaat-e-Islami. Er soll persönlich die Befehle für die Tötung von fast 500 Bangladeschern gegeben haben.
Zehn Urteile von Sondertribunalen
Jamaat-e-Islami hatte zu jener Zeit offen Stimmung gegen eine Unabhängigkeit Bangladeschs gemacht. Der damalige Parteiführer Ghulam Azam reiste durch die muslimische Welt, um Unterstützung für Pakistan zu mobilisieren. Die Partei stritt aber stets ab, für Gräueltaten verantwortlich gewesen zu sein. Azam war 2013 zu 90 Jahren Haft verurteilt worden, starb aber am 23. Oktober dieses Jahres im Alter von 91 Jahren eines natürlichen Todes.
Die beiden von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina eingesetzten Kriegsverbrecher-Sondertribunale haben bisher zehn Urteile verhängt. Ein ranghoher Funktionär von Jamaat-e-Islami wurde bereits gehängt, die Todesstrafe eines weiteren wurde im September in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Nizami war während der Amtszeit von Hasinas Vorgängerin Khaleda Zia von 2001 bis 2006 Kabinettsminister.
Zias Nationalistische Partei hatte die Prozesse als politisch motiviert kritisiert. Sie seien nur dazu da, die Opposition zu schwächen. Jamaat-e-Islami ist der wichtigste politische Verbündete von Zias Partei.
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