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Terrormiliz „Islamischer Staat“ im IrakSpuren systematischer Grausamkeit

Im Irak liegen noch viele Massengräber, sagt der Leiter des UN-Ermittlungsteams für IS-Verbrechen. Die Terrorgruppe tötete zehntausende Menschen.

Mehrere Schuhpaare aus einem Massengrab im Nordirak zeigen wie viele Tote dort liegen Foto: Ahmed Jadallah/reuters

Bagdad/Berlin dpa | Ermittler der Vereinten Nationen rechnen damit, dass im Irak noch zahlreiche weitere Massengräber der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgehoben werden. Die Zahl der Massengräber in dem Land sei „erstaunlich hoch“, sagte der Leiter des UN-Ermittlungsteams für IS-Verbrechen (Unitad), Christian Ritscher, der Nachrichtenagentur dpa. „Es gibt etliche, die noch nicht geöffnet wurden.“ Es handle sich um wichtige Beweismittel, aus denen sich unter anderem schließen lasse, wie viele Menschen der IS getötet habe. „Es ist auch ein Wettlauf mit der Zeit, weil die Gräber natürlichen Einflüssen unterliegen. Aber wir sind da dran.“

Der frühere Bundesanwalt Ritscher leitet das in Bagdad ansässige UN-Untersuchungsteam seit September. An diesem Mittwoch treffen sich Experten in Berlin zu einer unter anderem vom Auswärtigen Amt organisierten Konferenz über den IS. Dabei geht es um die Finanzströme der Extremisten. Durch „die Spur des Geldes“ ließe sich auch ermitteln, wer hinter „der Systematik dieser vielen grausamen Verbrechen“ stecke, sagte Ritscher. „Es geht uns darum, Verantwortliche bis in die Führungsetage vor Gericht zu bringen.“

Die Terrormiliz hatte im Sommer 2014 große Gebiete im Norden und Westen des Irak unter ihre Kontrolle gebracht. Der damalige Anführer des IS, der mittlerweile tote Abu Bakr Al-Bagdadi, rief später ein sogenanntes Kalifat aus, das Gebiete im Irak und in Syrien umfasste. In dieser Zeit wurden Zehntausende Menschen getötet, verschleppt, versklavt und misshandelt. Die UN kamen zu dem Schluss, dass die Extremisten im Irak einen Völkermord an der religiösen Minderheit der Jesiden begangen hat. Mittlerweile ist die Terrormiliz militärisch besiegt, Zellen sind in beiden Ländern aber weiter aktiv.

Die Kriegsverbrechen des IS seien „hochgradig bürokratisch organisiert“ gewesen, erklärte Ritscher weiter. „Das waren keine Einzeltaten. Das sieht sehr planmäßig aus, auch in der Breite.“ Es spreche alles dafür, dass auch „die obersten Ränge wussten, was an der Front passiert“. Zurückgelassen habe der IS neben Festplatten und Handys auch eine enorme Anzahl von Dokumenten. Diese würden nun digitalisiert und „unter Hochdruck“ ausgewertet. Weitere Spuren führten auch nach Deutschland, sagte er, ohne Details zu nennen.

Ritscher ermittelt seit mehr als zehn Jahren Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter in Ruanda und in Syrien. Beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe leitete er früher das Referat für Völkerstrafrecht. Unitad hat den Auftrag, den Irak bei der Aufklärung der IS-Verbrechen zu unterstützen.

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