Islamische Kindergärten in Österreich: Regierung frisierte Studienergebnisse
Im Integrationsministerium wird eine Studie zu islamischen Kindergärten „verschärft“. Manche Aussagen wurden sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Kurz hatte vergangene Woche die islamischen Kindergärten in Wien als Integrationshindernisse ausgemacht und deren Schließung gefordert. Da eine pauschale Schließung rechtlich nicht möglich wäre, schlug er vor, die Qualitätskriterien so zu ändern, dass diese Kindergärten zusperren müssten. Das Dokument liefert Munition für den Wahlkampf von Sebastian Kurz, der am 1. Juli zum neuen Chef der Volkspartei ÖVP gewählt wurde.
Studienautor Ednan Aslan zeigte sich erst erstaunt über die Veränderungen. Fünf Tage später vermeldete er via Twitter, alle inhaltlichen Modifikationen seien mit ihm abgesprochen gewesen. Im Ministerium hieß es anfangs, es seien lediglich Orthografie und Interpunktion korrigiert worden. Für Falter-Chefredakteur Florian Klenk ist ersichtlich, dass zwei Beamte des Ministeriums diese Studie ganz intensiv bearbeitet haben: „Sie haben Rechtschreibfehler ausgebessert, Fragen in das Dokument an den Forscher gestellt, und sie haben am Ende des Dokuments Aussagen ins Gegenteil verkehrt“, so Klenk im ORF Fernsehen.
So wurde die Textstelle wonach sich die Eltern nach „den Werten der Liebe, Toleranz und Weltoffenheit“ sehnen, verändert zu „sie sehnen sich nach islamischen Werten“. Wo Eltern wünschen, dass „Kinder nach den Werten des Respekts erzogen werden“, steht nun: „Sie sollen gegen die Mehrheitsgesellschaft positioniert“ werden. Florian Klenk: „Es sind viele, viele kleine Räder, an denen die Beamten drehen, die Studie schärfer machen, und viele Dinge, die relativieren, die abschwächen, werden gestrichen.“
Dass es in Wien Probleme mit islamischen Bildungseinrichtungen gibt, wird nicht einmal von Seiten der islamischen Gemeinde bestritten. Viele sind inzwischen wegen Qualitätsmängeln oder Mittelveruntreuung wieder geschlossen worden. Der zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) warf Kurz vor, das Thema populistisch zu missbrauchen.
Und Bürgermeister Michael Häupl griff Kurz frontal an: „Dass man eine Studie fälscht – und ich nenn’ das bewusst fälscht – das ist das Allerletzte“. Und verantwortlich „sind die Chefs“. Während man in den sozialen Medien über den „Frisiersalon Sebastian“ witzelt, will sich die Uni Wien die Vorstudie vorknöpfen und überprüfen, ob ihre Aussagen „auf Basis von wissenschaftlichen Grundlagen erfolgten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland