Kommentar Koalition in Österreich: Szenen einer kaputten Ehe
Das Verhältnis zwischen SPÖ und ÖVP ist endgültig zerrüttet. Eine baldige Neuwahl in Österreich ist deshalb unausweichlich.

Und nun? Christian Kern denkt nach Foto: dpa
Die Groko ist tot. Zwar ist der Begriff in Österreich nicht geläufig, dafür kennt man das Phänomen der Großen Koalition seit über 70 Jahren. Das Machtkartell SPÖ-ÖVP, das einst über 90 Prozent der Wählerschaft vertrat, ist verbraucht – und die Aussicht auf eine Neuauflage nach den nächsten Wahlen gilt als gefährliche Drohung.
Mit der Neuaufstellung der ÖVP nach dem Rücktritt von Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist eine Neuwahl im Herbst fast unausweichlich. Die beiden ehemaligen Großparteien gebärden sich wie ein altes Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat.
Entsprechend besteht der Ehealltag aus gegenseitigen Sticheleien. In fast allen zentralen Fragen, wo Reformen anstehen, ist man unterschiedlicher Meinung und will eine unterschiedliche Klientel bedienen: Schule, Steuer, Überwachungsstaat. Nur in der Flüchtlingsabwehr marschiert man inzwischen im Gleichschritt zur Musik, die die rechte FPÖ trommelt.
Das Angebot von Kanzler Christian Kern (SPÖ) an den designierten neuen Regierungspartner Sebastian Kurz, bis zum Ende der Legislaturperiode Ende 2018 in einer „Reformpartnerschaft“ die fälligen Projekte abzuarbeiten, ist als rein taktisches Manöver zu sehen. Kern und Kurz können nicht miteinander. Sebastian Kurz sieht sich ja als österreichische Variante von Emmanuel Macron, der am liebsten das bleierne Korsett der ÖVP abstreifen und als unabhängiger konservativer Heilsbringer antreten würde.
Die ÖVP ist unreformierbar
Deswegen macht er seine Inthronisierung von weitgehenden Vollmachten abhängig und fordert die Lizenz zur Neuordnung der Partei. Die ÖVP mit ihrer bündischen Struktur und den starken Landeshauptmännern ist allerdings unreformierbar. Kurz, der derzeit mit Abstand populärste Politiker, wird also möglichst schnell wählen lassen wollen, bevor sich seine Strahlkraft in den Mühen der politischen Ebene verbraucht.
Wie die nächste Regierung aussehen wird, ist schwer vorauszusagen. Aber sowohl ÖVP als auch SPÖ würden wohl eher die FPÖ ins Boot holen, als es noch einmal miteinander zu versuchen.
Kommentar Koalition in Österreich: Szenen einer kaputten Ehe
Das Verhältnis zwischen SPÖ und ÖVP ist endgültig zerrüttet. Eine baldige Neuwahl in Österreich ist deshalb unausweichlich.
Und nun? Christian Kern denkt nach Foto: dpa
Die Groko ist tot. Zwar ist der Begriff in Österreich nicht geläufig, dafür kennt man das Phänomen der Großen Koalition seit über 70 Jahren. Das Machtkartell SPÖ-ÖVP, das einst über 90 Prozent der Wählerschaft vertrat, ist verbraucht – und die Aussicht auf eine Neuauflage nach den nächsten Wahlen gilt als gefährliche Drohung.
Mit der Neuaufstellung der ÖVP nach dem Rücktritt von Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist eine Neuwahl im Herbst fast unausweichlich. Die beiden ehemaligen Großparteien gebärden sich wie ein altes Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat.
Entsprechend besteht der Ehealltag aus gegenseitigen Sticheleien. In fast allen zentralen Fragen, wo Reformen anstehen, ist man unterschiedlicher Meinung und will eine unterschiedliche Klientel bedienen: Schule, Steuer, Überwachungsstaat. Nur in der Flüchtlingsabwehr marschiert man inzwischen im Gleichschritt zur Musik, die die rechte FPÖ trommelt.
Das Angebot von Kanzler Christian Kern (SPÖ) an den designierten neuen Regierungspartner Sebastian Kurz, bis zum Ende der Legislaturperiode Ende 2018 in einer „Reformpartnerschaft“ die fälligen Projekte abzuarbeiten, ist als rein taktisches Manöver zu sehen. Kern und Kurz können nicht miteinander. Sebastian Kurz sieht sich ja als österreichische Variante von Emmanuel Macron, der am liebsten das bleierne Korsett der ÖVP abstreifen und als unabhängiger konservativer Heilsbringer antreten würde.
Die ÖVP ist unreformierbar
Deswegen macht er seine Inthronisierung von weitgehenden Vollmachten abhängig und fordert die Lizenz zur Neuordnung der Partei. Die ÖVP mit ihrer bündischen Struktur und den starken Landeshauptmännern ist allerdings unreformierbar. Kurz, der derzeit mit Abstand populärste Politiker, wird also möglichst schnell wählen lassen wollen, bevor sich seine Strahlkraft in den Mühen der politischen Ebene verbraucht.
Wie die nächste Regierung aussehen wird, ist schwer vorauszusagen. Aber sowohl ÖVP als auch SPÖ würden wohl eher die FPÖ ins Boot holen, als es noch einmal miteinander zu versuchen.
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Kommentar von
Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
Geboren in Wien, 1955, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reist er noch immer regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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