Islamische Bestattungen: Mit Habeck auf dem islamischen Friedhof
In Berlin dürfen Muslime ihre Toten auf Wunsch auch ohne Sarg in einem Leichentuch beerdigen. Über ein Begräbnis mit einer großen Trauergemeinde.
M it tieftraurigen Gesichtern standen ihre vier Söhne und einige der Enkelkinder an diesem grauen Berliner Novembertag im Torbogen des Friedhofs. Betrübt begrüßten sie jeden der ankommenden Trauergäste bereits an dieser Stelle persönlich; der Wagen des Bestatters sollte jeden Moment einfahren. Darin der Sarg ihrer geliebten, über achtzigjährigen Frau Mama. Eine stolze, weltliche Frau war sie, das bekam auch ich aus der Ferne mit. Unsere Familien schätzen und kennen sich aus längst vergangenen West-Berliner Tagen. Ich war damals noch ’n kleener Steppke. Wir teilen das gleiche Schicksal: geflohen vor dem Sowjetkrieg in Afghanistan.
Dieser Friedhof bietet als einer von wenigen Orten in Berlin Flächen für islamische Bestattungen. Beisetzungen nach (mehr oder weniger) muslimischer Tradition werden nicht auf herkömmlichen Flächen durchgeführt. Die Gräber müssen, vereinfacht gesagt, nach Mekka ausgerichtet sein. Frömmigkeit ist keine zwingende Voraussetzung für eine Beerdigung dieser Art. Mitunter spielt Identität eine große Rolle, allemal außerhalb der ursprünglichen Heimat – besonders für die erste Generation.
So war auch diese Trauergemeinde ein dem Anlass entsprechend dunkel gekleidetes, aber dennoch buntes Sammelsurium von – rund 150 – Menschen: gläubig, fromm, zweckreligiös, säkular, agnostisch, atheistisch, rebellisch, vielleicht auch radikal, das vermag ich nicht zu sagen. Es waren Ärzte und andere Akademiker:innen darunter, Künstler:innen, Erwerbslose, Angestellte, Selbständige, Verzweifelte, Orientierungslose, Junge, Alte, ach, halt einfach Menschen mit verschiedenen Biografien.
Die letzten Meter begleiten die Angehörigen und ihre Gäste den Sarg nicht einfach nur, sie tragen ihn auf ihren eigenen Schultern, abwechselnd, immer auf 6 Paar verteilt. Am Grab angekommen, wird er vorsichtig herabgelassen und anschließend von den Trauernden mit Erde zugeschüttet, bis das Grab vollständig geschlossen ist. Seit 2010 dürfen Muslime in Berlin ihre Toten auf Wunsch auch ohne Sarg, in einem Leichentuch beerdigen.
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Unglaublich viel Kraft gespendet
Vor, während und nach dieser Zeremonie wird gemeinsam mit einem eigens engagierten Imam gebetet beziehungsweise spricht dieser die nötigen Gebete – neben möglichen letzten Abschiedsworten der Angehörigen. Diese auf manche vielleicht befremdlich wirkende Prozedur in einer kurzzeitig zusammengekommenen Gemeinschaft der Trauernden kann einem unglaublich viel Kraft spenden. Wer sich darauf vorbehaltlos einlässt, spürt, wie tröstend das sein kann – fernab der eigenen Weltanschauung, der tatsächlichen Religiosität, ideologischen und parteipolitischen Prägung.
Als ich vor einigen Wochen diesem Abschied beiwohnte, kam ich nicht allein. Ich hatte den kompletten aktuellen innenpolitischen Diskurs im Gepäck, der sich durch den Nahostkrieg über uns alle hinweg wölbt und die wildesten Kapriolen hier in Almanistan schlägt. Neben den üblich ätzenden Verdächtigen sah ich vor allem zwei Politiker vor mir, die mir bisher selten in diesen Zusammenhängen erschienen: Frank-Walter Steinmeier und Robert Habeck, mit ihren vielbeachteten Reden in den vergangenen Wochen.
Beide sind klüger als die klassischen Hetzer. Sie wissen, dass die große Mehrheit der tatsächlichen und als solche gelesenen Muslime genauso ticken wie diese Trauergemeinde. Sie sind ebenso bunt und widersprüchlich. Wie und warum überhaupt sollen wir uns von Terrorismus, von der Hamas und anderem geistig-seelischen Schund distanzieren?
Und mal praktisch gefragt: Wo überhaupt soll das passieren? Auf den Marktplätzen dieser Republik? Vor Gericht oder in den Räumen der Bundestagsfraktionen? Ich bin mir sicher, wären sie wirklich dagewesen, sie hätten sich geschämt.
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