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Islam in MaliTolerante Malier, radikale Ausländer

Die Bevölkerung in Mali ist eher säkular eingestellt. Der islamische Rat aber ist geprägt von der strikteren saudischen Version des Islam.

Viele Malier wollen mit den Extremisten nichts zu tun haben. Bild: ap

BAMAKO taz | „Ich bete fünfmal am Tag“, sagt Ibrahim Cissé. „Aber nicht immer dann, wenn der Imam uns dazu aufruft. Ich sitze doch nicht mit einer Stoppuhr in der Hand und warte auf unser Gebet.“

Der junge Mann aus der malischen Kleinstadt Djenné, weltberühmt wegen ihrer jahrhundertealten Moschee aus Lehmbacksteinen, ist typisch für Mali: Das Land ist zu über 90 Prozent muslimisch, aber die Bevölkerung ist eher säkular eingestellt.

„Wir sind sehr gläubige Muslime, aber wir tragen auch Amulette in der Hosentasche“, erzählt Ibrahim Cissé. „Ich verstehe nichts von den Extremisten, die unser Land besetzt hatten. Sie wollten aus uns gläubige Muslime machen – aber das sind wir ja schon.“

In Malis Hauptstadt Bamako fahren Frauen unverschleiert Motorrad und zeigen mehr Bein als nur Fußknöchel. Die Moscheen sind nicht nach Geschlechtern getrennt.

Religion vermischt mit Tradition

Fast überall in Afrika vermischen Muslime – genau wie Christen – ihre Religion mit alten lokalen Traditionen. Sie verehren die Ahnen, glauben an Geister, konsultieren den Medizinmann. Der malische Islam ist ein Sufi-Islam, der die Heiligenverehrung einschließt. Die legendäre Wüstenstadt Timbuktu heißt „Stadt der 333 Heiligen“. Die Islamisten haben dort Mausoleen zerstört, was die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt.

„Wir Malier praktizieren einen toleranten und friedlichen Islam“, sagt Mohammed Macki Bah, Vorsitzender der Union junger Imame in Mali. „Wir sind die Anhänger des authentischen Islam. Die Extremisten besitzen zwar viel Geld und Waffen, aber sie sind nur ganz gewöhnliche Schmuggler und Entführer. Das hat nichts mit Religion zu tun.“

Man müsse die Islamisten nicht nur aus Nordmalis Städten, sondern aus ganz Afrika verjagen, findet Imam Bah. Sonst bleibe die Gefahr der Radikalisierung bestehen.

Der Westen ist mitschuldig

Das westliche Ausland sei daran nicht unschuldig. Imam Bah: „Der Westen ist gut befreundet mit Ländern, wo der Salafismus herkommt, wie Saudi-Arabien und Katar. Sie laden den Extremismus geradezu ein.“ Der Salafismus ist eine äußerst strenge und puritanische Version des Islam. Eng damit verbündet ist der Wahhabismus, den das regierende Königshaus in Saudi-Arabien propagiert und immer stärker in arme afrikanische Länder exportiert. Das reiche Saudi-Arabien baut Moscheen, finanziert wahhabitische Koranschulen und holt afrikanische Imame in großer Zahl zum Studium ins Land.

In Saudi-Arabien studiert hat auch der Vorsitzende von Malis Hohem Islamischen Rat, Imam Mahmoud Dicko. Dass Malis wichtigste islamische Institution dem saudisch geprägten Fundamentalisten nahesteht, war ein wichtiger Faktor bei der Ausbreitung des Islamismus in dem Land. Jetzt aber gibt Dicko sich gemäßigt: „Wir müssen zu einer progressiven Form des Islam kommen, wie zum Beispiel in der Türkei“. sagt er. „Die Malier sind tolerant. Es sind die Ausländer, die radikal sind.“

Andere Imame misstrauen Dicko. Der war im August zu den Islamisten nach Gao gereist, um dort über die Freilassung malischer Soldaten zu verhandeln. Was sich da abspielte, ist bis jetzt ein Geheimnis.

Der Imam macht jetzt kein Geheimnis aus seinen politischen Ambitionen. Er beschuldigt die politische Klasse der Schwäche und Korruption und fordert einen Wandel. „Wir religiösen Führer spielen eine wichtige Rolle in diesem Land. Es wird auf uns gehört. Um zu verhindern, dass sich die Ereignisse des letzten Jahres wiederholen, müssen wir uns dafür einsetzen, das Land zu ändern.“

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14 Kommentare

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  • I
    Isabella

    Wirklich mal ein guter Beitrag! Hier bestätigt sich auch die Version wie sie Alice Schwarzer propagiert. Man muss unterscheiden zwischen Muslimen und Islamisten. Es gibt sehr friedliche Muslime die auch ihre Heimattraditionen leben, so wie in vielen afrikanischen Staaten. Mir war dies auch nicht so klar. Ein heller Wahnsinn, dass die Islamisten die Muslime islamisieren wollen. Ich denke, die Muslime in Mali sind religiöser als die Islamisten. Und wieder wird klar, dass die Verbrecher Saudi Arabien, Katar und weitere, einen politischen Feldzug über die ganze Welt anstreben, um Macht zu gewinnen, ihre Gebiete zu erweitern (Landübernahme) und die Menschen auszubeuten. Das versuchen sie auch in Europa! Alleine das Ziem-Projekt in München (von Katar finanziert) zeigt dies deutlich. Das Schlimme ist, dass die westlichen Politiker die Islamisten unterstützen und zusammenarbeiten. Eine Schande! Geschrieben von einer Nicht-Linken

  • A
    as140

    @ Wolfgang: Hat Karl Marx auch mal etwas sinnvolles verzapft? Inwiefern dem Kommunismus eine Logik beiwohnt

    konnte mir noch nie jemand erklären.

    Was macht sie so sicher, dass es keinen Gott gibt?

    Es ist der Wissenschaft nie gelungen ihn zu widerlegen. Warum sollten die Menschen im Altertum mühsam gekämpft haben, um ihre Schriften zu verbreiten sogar unter Sklaverei und Unterdrückung? Die einzige Erklärung, die ich mir darauf machen kann ist die, dass sie Dinge gesehen haben, die Menschen wie sie und ich nicht verstehen könne. Ich frage mich, warum Menschen wie sie denken, besser zu sein als Islamisten. Die wollen alles auslöschen woran sie nicht glauben und sie wollen alles auslöschen, woran sie nicht glauben. Worin unterscheiden sie sich?

  • PM
    Peter Müller

    Und die Millionen gemäßigten Muslime in Mali können die "wenigen" radikalen "Ausländer" nicht kontrollieren?

     

    Ist wie in Deutschland. Dort protestiert auch kein islamischer Verband gegen Zwangsehen, Ehrenmord, islamischen Antisemitismus und Co. Die deutschen Verbände wollten noch nichtmals das Töten von Konvertiten klar verurteilen.

  • W
    Wolfgang

    Die Ohnmacht und Hilflosigkeit der Menschen widerspiegelt sich in den Vorstellungen eines allmächtigen göttlichen Wesens, dem alle Vollkommenheiten zugeschrieben werden, und das menschenunwürdige Leben der ausgebeuteten Werktätigen im Diesseits erscheint als die Vorstufe eines glücklichen Lebens im Jenseits.

     

    So ist die Religion die allgemeine Theorie der menschenunwürdigen Welt der Ausbeutung und Unterdrückung, "ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund" (Karl Marx)

     

    [Ein Plagiat]

  • TS
    Thomas Sch.

    In manchen Kommentaren wird hier behauptet, es gebe einen quasi normalen Islam und einen anderen, den radikalen. Nun, in jeder Religion gibt es die einen, denen mehr an der buchstabengetreuen Auslegung des Werkes gelegen ist, andere meinen, es müßte "zeitgemäß" angepaßt werden. Übrigens gerade das journalistische Modewort der Saison. Während beispielsweise die Bibel von x verschiedenen Autoren ist und die Christenheit die dort vorkommenden Geschichten mehr oder weniger allegorisch betrachtet, ist für den Moslem der Koran die wortgenaue Anleitung Gottes (!). Und an dem Wort Gottes gibt es nichts herumzudeuteln. Und leider, leider, leider stehen in diesem Koran in der Tat Aufforderungen zur Gewalt und zum Töten. Falls man es mir nicht glaube, schlage man dort bitte nach. Und wenn Gott das nun mal fordert, so der gläubige Moslem, dann müsse man dem nun mal eben folgen. Zu den Widersprüchen im Koran sagt der Koran selber, das Spätergeschriebenes Frühergeschriebenes überschreibe. Hier stellt sich natürlich die Frage für den Aufgeklärten, wie es denn sein könne, daß "Gott" sich in seinem Werk selber widerspricht. Das alles spricht doch alles sehr viel mehr für menschengemachtes Fehlertum. Aber sagen sie das mal einem Moslem an einem falschen Platz (in Afghanistan, im Iran) zur falschen Zeit (irgendwelche Radikalinskis hören das gerade) und Sie können sich gut und gerne zur Steinigung einfinden. Und genau da ist das Problem. Derjenige, der glaubt, daß er sich im Besitz der Wahrheit befindet, meint eben manchmal auch, daß es die einzig zulässige Wahrheit sei. Die Malier tolerieren die nicht, die nicht tolerant sind. Kluge Leute. An Bord eines Schiffes sollte man auch keinesfalls Leute tolerieren, deren Hobby es ist, Löcher in Wände zu bohren.

  • TS
    Thomas Sch.

    In manchen Kommentaren wird hier behauptet, es gebe einen quasi normalen Islam und einen anderen, den radikalen. Nun, in jeder Religion gibt es die einen, denen mehr an der buchstabengetreuen Auslegung des Werkes gelegen ist, andere meinen, es müßte "zeitgemäß" angepaßt werden. Übrigens gerade das journalistische Modewort der Saison. Während beispielsweise die Bibel von x verschiedenen Autoren ist und die Christenheit die dort vorkommenden Geschichten mehr oder weniger allegorisch betrachtet, ist für den Moslem der Koran die wortgenaue Anleitung Gottes (!). Und an dem Wort Gottes gibt es nichts herumzudeuteln. Und leider, leider, leider stehen in diesem Koran in der Tat Aufforderungen zur Gewalt und zum Töten. Falls man es mir nicht glaube, schlage man dort bitte nach. Und wenn Gott das nun mal fordert, so der gläubige Moslem, dann müsse man dem nun mal eben folgen. Zu den Widersprüchen im Koran sagt der Koran selber, das Spätergeschriebenes Frühergeschriebenes überschreibe. Hier stellt sich natürlich die Frage für den Aufgeklärten, wie es denn sein könne, daß "Gott" sich in seinem Werk selber widerspricht. Das alles spricht doch alles sehr viel mehr für menschengemachtes Fehlertum. Aber sagen sie das mal einem Moslem an einem falschen Platz (in Afghanistan, im Iran) zur falschen Zeit (irgendwelche Radikalinskis hören das gerade) und Sie können sich gut und gerne zur Steinigung einfinden. Und genau da ist das Problem. Derjenige, der glaubt, daß er sich im Besitz der Wahrheit befindet, meint eben manchmal auch, daß es die einzig zulässige Wahrheit sei. Die Malier tolerieren die nicht, die nicht tolerant sind. Kluge Leute. An Bord eines Schiffes sollte man auch keinesfalls Leute tolerieren, deren Hobby es ist, Löcher in Wände zu bohren.

  • H
    Halil

    @murat

     

    Nein wegen Multikulti.Die Araber und Tuareg hielten die Schwarzen vor noch nicht alzu langer Zeit als Sklaven und jetzt sind die Schwarzen die Herrscher.Die Tuareg haben alle paar Jahre eine Revolution gestartet und wurden dann mit Geld ruhig gestellt.

     

    @von und zu

    Islam heisst übersetzt Unterwerfung und nicht Frieden.Lassen sie sich ruhig veräppeln.

  • R
    Realismus

    „Wir Malier praktizieren einen toleranten und friedlichen Islam“, sagt Mohammed Macki Bah, Vorsitzender der Union junger Imame in Mali. „Wir sind die Anhänger des authentischen Islam.

     

    ----

    Das nützt ihm leider auch nichts. Französische Raketen werden auch ihm um die Ohren fliegen!

     

    Für das säkuläre Frankreich zählt nur der Gott des Mammons.

    Egal wie tolerant und friedlich dieser Imam aus Mali sein mag - zu den "Guten" zählt für Frankreich nur eine möglichst korrpte Marionettenregierung.

    Jeder andere ist ein potentieller Terrorist.

  • I
    Ivulkansturm

    Sicher ist die systematische weltweite Verbreitung eines radikalen Islams die Quelle allen Übels. Die Frage ist nur, was man dagegen machen kann. Sicher sollte man diesen Ländern keine Waffen liefern.

    Aber ändern wird das an der Missionierung nichts.

    Geschickt versuchen die Golfmonarchien - auch um ihre eigenen autokratischen Regime zu retten - aus den Freiheitsbewegungen der Arabellion islamistisch-religiöse Bewegungen zu machen.

    Leider scheinen diesen Ländern derzeit nahezu unbegrenzte finanzielle Mittel aus den Ölverkäufen zur Verfügung zu stehen für die weltweite Missionierung.

    Selbst wenn der Westen ihnen kein Öl abkaufen würde, ändern würde das auch nichts, da dann andere Länder wie China das Öl abkaufen würden.

  • UZ
    und zu

    Man mag den Maliern durchaus zugestehen, dass sie einen friedlichen und toleranten Islam praktizieren - "authentisch" ist er wohl nicht, schon weil es unmöglich ist zu sagen, was "authentisch" ist - letztlich glauben alle Glaubensformen, sie seien "authentisch".

     

    Was man, glaube ich, immer wieder betonen muss, ist, dass es nur eines braucht, um Muslim zu sein:

    "aschhadu an lā ilāha illā 'llāh wa-aschhadu anna Muhammadan rasūlullāh."

    Deutsch: "Ich bezeuge, es gibt nur einen Gott und Muhammad ist sein Prophet."

    Das war's.

    Damit ist man noch kein "guter" Muslim, aber man ist Muslim. Und genau genommen kann einem das niemand mehr absprechen.

    Der Islam ist außerdem keine "Du musst/Du darfst nicht"-Religion, sondern eine "Du soll(te)st"-Religion. Ein guter Muslim *sollte* fünf Mal am Tag beten. Wenn er es nicht schafft, weil er arbeiten muss, ist das aber kein Beinbruch.

    Ein guter Muslim *sollte* einmal in seinem Leben nach Mekka pilgern. Wer die Möglichkeit nicht hat, kann's auch lassen.

    Ein guter Muslim *sollte* während des Ramadan tagsüber fasten. Wer das nicht durchhält, kann aber ebenso guten Gewissens essen.

    Ein *guter* Muslim weiß schlicht um diese "Pflichten" (ich nutze diese allgemeine Übersetzung einfach mal aufgrund des Fehlens eines besseren Begriffs), er akzeptiert, dass es diese "Pflichten" gibt, aber er hat sie nur dann auch zu befolgen, wenn es möglich ist. Wenn nicht, dann eben nicht.

     

    Und wo wir schon dabei sind: Natürlich bedeutet "Islam" "Frieden". So wie "As-salamu alaikum" "Friede sei mit dir" bedeutet. "S-L-M" diese Konsonanten bilden den Wortstamm für "Friede" in den semitischen Sprachen, auch im hebräischen bedeutet "Schalom" "Friede". Das macht natürlich Muslime noch nicht per se zu Pazifisten, aber die faktische Wortbedeutung eines Begriffs in Frage zu stellen, zeugt schon von besonderem Fanatismus.

     

    "katholikos" bedeutet ja auch "allgemein" oder "allumfassend" - dabei ist die katholische Kirche nicht einmal die einzig *christliche* Kirche. Trotzdem geht kaum jemand hin und behauptet: "Die Papst-follower sind gar keine Katholiken, weil es noch andere Christen gibt!"

  • D
    D.J.

    "Das westliche Ausland sei daran nicht unschuldig. Imam Bah: „Der Westen ist gut befreundet mit Ländern, wo der Salafismus herkommt, wie Saudi-Arabien und Katar."

     

    Völlig richtig. Derzeit wohl mit größte Schande des Westens - nein, schlimmer, die größte Dummheit.

  • ON
    Orwelllsches Neusprech

    Mit "strikt" ist in diesem Fall "noch moerderischer" gemeint.

  • JM
    J. Murat

    Ja klar, "der Westen" und "die Ausländer" sind wieder mal an allem Schuld.

    "Der Westen" soll gefälligst zahlen und "die Ausländer" sollen schnell verschwinden.

    Und die "taz" druckt so einen Blödsinn auch noch ab.

    Und wieso, Illona, kommt es in Mali seit 1990 immer wieder zu Bürgerkriegen? Etwa wegen der "Ausländer"?

  • EL
    Ernst Lehmann

    Frau Eveleens, Ausländer ist diskrimierend, hier werden alle Immigranten Malis als Islamisten über einen Kamm geschert, von der taz hätte ich anderes erwartet...