Irritationen beim Taxifahren: Kann ja ein gefrusteter Travis sein

Es liegt auch am Namen, ob man im Taxi einfach die Stille genießen kann. Oder ob man mal wieder ein politisches Gespräch beginnen muss.

Ein beleuchtetes Taxischild auf einem Autodach.

Wenn ich mal wieder Taxi fahren muss, heiße ich Otto Foto: Gottfried Czepluch/imago

Vor wenigen Tagen habe ich eine weitere meiner peinlichen cineastischen Bildungslücken geschlossen. Ich schaute mir endlich Martin Scorseses „Taxi Driver“ an. Das Drama über den nacht­aktiven Taxifahrer Travis Bickle mit dem jungen Robert De Niro in der Hauptrolle ist ziemlich wuchtig, auch wenn es heute wohl nicht die Intensität entfaltet wie 1976 – mit dem Viet­namkrieg und der Watergate-Affäre als filmischer Bassline. Die sozialen Missstände New Yorks, korrupte Politik und Behörden triggern bei ihm militanten Menschenhass. Sein Wagen wirkt wie ein mobiler Hochsitz, von dem aus er aufs urbane Leben schaut und sich in seinem misanthropischen Wahn auf die Jagd macht nach dem nächsten Opfer seiner Hasstiraden.

Ob in einem der Taxis in Berlin auch mal ein gefrusteter Travis sitzt, vermag ich nicht zu sagen. Allein die E-Roller wären jedenfalls Grund genug. Berlin ist mit mehr als 8.000 Wagen Taxihauptstadt, weit abgeschlagen folgen München und Hamburg mit jeweils über 3.000 Droschken. Die Wahrscheinlichkeit wäre also gar nicht mal so gering.

Als 1989 die Republikaner das erste Mal ins Abgeordnetenhaus zogen, kursierte das Gerücht, viele der damals mehrheitlich deutsch-deutschen Ta­xi­fah­re­r:in­nen hätten sie gewählt. Und – wer weiß das schon – wahrscheinlich dabei auch an den Rassisten Travis gedacht.

Wenn ich ausnahmsweise

mal wieder Taxi fahren

muss, heiße ich Otto.

Herr Otto

Für mich ist das Innere eines Taxis immer wieder auch ein hochpolitischer Raum. So sehr, dass ich angefangen habe, ein Doppelleben zu führen. Wenn ich mal wieder Taxi fahren muss, heiße ich Otto. Herr Otto. So wird es dem (meist männlichen) Fahrer via Zentrale mitgeteilt. Für diese verbale Transethnizität gibt es Gründe, aus meiner Sicht gute Gründe.

Keinen Bock mehr aufs Gespräch

Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr auf die mir aufgezwungenen politischen Gespräche aufgrund meines Familiennamens. „Rafiq“ führte leider wiederholt entweder zur Vereinnahmung durch irgendwelche vereinsamten Fundis auf dem Fahrersitz, die mit mir völlig unreflektiert ein imaginiertes islamisches Kalifat abfeiern wollten, oder zur Ablehnung, weil ich gewiss Ehrenmorde und die im Islam natürlich per se stattfindende Unterdrückung der Frau (sic!) gutheißen würde. Da ich beiden Gruppen gegenüber extrem geladen bin, es auch schon zum offenen Streit gekommen war („You talkin’ to me???“ Kleiner Travis-Insider, sorry!), wollte ich durch meinen Namen ausgelöste Endlosdiskussionen meiden.

Otto führt wegen meines Äußeren natürlich zu Irritationen. Nach einem anfänglich gescheiterten Weißabgleich beim Einsteigen (Name/Gesicht, Gesicht/Name) kehrt meist schnell Ruhe ein und ich kann die Stille genießen oder ein (politisches) Gespräch beginnen, wenn auch ich das möchte.

Otto kann aber auch den Waalkes. Einmal bestellte ich spätabends das Taxi zu einem von zwei Seiten anfahrbaren Haus. „Soll der Wagen von vorne kommen oder von hinten?“ wurde ich aus der Zentrale gefragt. „Nee, gerne hinten. Das ist kürzer.“ Als ich dann ins Taxi stieg, schaute mich der Fahrer mit Regenbogenfähnchen am Innenspiegel gefühlt zwei Minuten lang an und lachte dann laut drauflos. Ich fragte nach dem Grund. „Na ja, wissen se, bei dem Namen dacht ick, gleich steigt ne Zweimeter-Dragqueen ins Auto.“ „Äh, bei dem Namen?“ „Na ja, hätt ja ooch ein blaublütiger Künstlername sein können.“ „Otto?“ „Äh, nee.“ Er zeigte auf sein Handy, auf dem Display prangte in fetten Buchstaben: „Otto von Hinten.“

In Berlin sind eben auch viele tolle Ta­xi­fah­re­r:in­nen unterwegs, deshalb: To be continued, dann aber mit Jim Jarmuschs „Night on Earth“ als Referenz.

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Jahrgang 1976, Südhang Hindukusch. Berliner Junge. Schon als Kind im Widerstand gegen Exoten-Bonus und Kanaken-Malus. Heute als Autor und Producer zu unterschiedlichen Themenfeldern journalistisch tätig. Für TV, Print, Online und Bühne. Und fast immer politisch.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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