Iran sanktioniert europäische Medien: Teheraner Drohgebärde
Iran setzt europäische Journalist*innen auf eine Sanktionsliste – auch die Farsi-Redaktion der Deutschen Welle. Doch die gibt sich unbeeindruckt.
Wer auf der Liste steht, kann mit Einreisesperren belegt werden. Seine oder ihre Konten im Iran können zudem eingefroren werden. Der Schritt lässt sich als Reaktion auf die EU-Sanktionen gegen Iran interpretieren. Die EU-Außenminister*innen hatten zuletzt Sanktionen gegen elf Verantwortliche der Regierung sowie gegen vier Regierungsorganisationen verhängt. Die deutsche Außenministerin Baerbock hatte noch am Mittwoch gedroht, diese auszuweiten.
Die Leiterin der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle, Yalda Zarbakhch, kommentierte auf Twitter: „Das wird uns nicht abhalten, weiter unseren wichtigen Job als Journalist*innen zu erfüllen. Weiter über #IranProtests2022 zu berichten.“
Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, erklärte: „Das Regime im Iran bedroht bereits seit längerer Zeit unsere Kolleginnen und Kollegen in der Farsi-Redaktion und ihre Familien. Das ist nicht hinnehmbar. Ich erwarte, dass die Politik in Deutschland und Europa den Druck auf das Regime erhöht.“
Die Deutsche Welle nimmt an, dass ihre Berichterstattung auf Farsi aktuell im Iran verstärkt konsumiert wird. „Unsere Nutzerzahlen sind seit Beginn der Proteste noch einmal deutlich gestiegen“, sagt Unternehmenssprecher Christoph Jumpelt gegenüber der taz, „obwohl die redaktionellen Inhalte der DW vom iranischen Regime schon sehr lange blockiert werden.“ Gerade die jüngere Generation im Iran sei technisch sehr versiert, Tools zum Umgehen der Zensur würden dort stark genutzt. „Der gesamte Traffic im Iran ist trotz der Shutdowns angestiegen.“
Empfohlener externer Inhalt
Jumpelt sagt, die Sanktionsdrohung ändere nichts an der Arbeit der Farsi-Redaktion. „Die Verweigerung von Visa für Journalisten ist eine Einschränkung der Berichterstattung, wird aber in der aktuellen Situation nichts ändern. Wir können trotzdem sehr umfänglich über die Entwicklungen im Iran berichten.“ Die Deutsche Welle betreibt ein Nachrichtenprogramm mit der iranischen Amtssprache Farsi. Dieses ist im Netz über die Webseite dw.com sowie in sozialen Medien zu empfangen. Die Redaktion arbeitet aus Bonn und Berlin.
„Es handelt sich um eine Drohgebärde“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland, über die Sanktionsliste, „einen symbolischen Schritt, der vor allem bei Journalistinnen und Journalisten mit iranischem Hintergrund die Verunsicherung verstärken dürfte – insbesondere mit Blick auf deren Angehörige im Land.“ Welche praktischen Auswirkungen die Sanktionen für die Einzelnen haben, bleibe abzuwarten, sagt Mihr. „Gegenwärtig sind unserer Kenntnis nach keine Journalistinnen und Journalisten unmittelbar betroffen, die sich im Land befinden. Auch wenn schon jetzt 43 Journalistinnen und Journalisten im Iran inhaftiert sind.“
Mihr glaubt, dass die iranische Regierung sich durch die Berichterstattung über Proteste und Repressionen in die Ecke gedrängt fühlt. „Nach allem, was ich höre, droht dem Regime die Situation zu entgleiten. Aus der Regimesicht trägt die Berichterstattung dazu bei, die Proteste anzustacheln.“ Spannend sei nun, wie die EU-Staaten auf die Sanktionsdrohung reagierten. Bild-Chefredakteur Johannes Boie sprach auf Twitter vom „Terrorstaat Iran“. „Die Angst vor freier Presse und die Wut über unsere Iran-Berichterstattung muss grenzenlos sein“, schrieb Boie.
Die persischsprachige Redaktion von Radio France Internationale erklärte unterdessen: Das Regime mache es schon seit Jahren praktisch unmöglich, aus dem Iran zu berichten – die Sanktionsliste ändere nichts.
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