Investitionen in fossile Energie: Das Silberne Einhorn macht Kohle
Die Kohleindustrie ist überraschend vielfältig. Das zeigt eine Datenbank, die die Umweltorganisation urgewald erstellt hat.
Die „Global Coal Exit List“ (GCEL) ist eine umfassende Datenbank, die alle Arten von Kohleunternehmen auflistet, nicht nur die eigentlichen Produzenten. Für die Aufnahme in die GCEL war zum einen relevant, wie hoch der Kohleanteil am Umsatz eines Unternehmens ist, zum anderen, welchen Marktanteil die jeweilige Firma in der Branche hat.
So macht Glencore, der weltweit größte Rohstoffhändler mit Sitz in der Schweiz, nur 21 Prozent seines Umsatzes mit Kohle. Zugleich ist er aber mit 125 Millionen Tonnen Kohle im Jahr der achtgrößte Produzent der Welt.
„Wir waren durchaus überrascht, wie viele Unternehmen Teil der Kohlewirtschaft sind und wie stark in Kohle investiert wird“, sagt urgewald-Sprecher Moritz Schröder. „Und dass viele Investoren selbst gar nicht wissen, dass sie Kohle finanzieren.“ Nämlich etwa dann, wenn ein Unternehmen nicht klar als Kohleproduzent oder Kraftwerkbetreiber erkennbar ist.
Silver Unicorn Trading zum Beispiel, das sich vom Namen her mehr für den Handel mit Fabelwesen empfehlen würde, aber auch andere Konzerne mit blumigen Namen wie Lemur Resources oder Africa China Sunlight Energy: Sie alle haben mit Kohle zu tun.
Das Kohleuniversum ist groß
„Wir haben alles getan, um wirklich den größten Teil des Kohleuniversums abzudecken“, sagt Schröder. Dazu gehören dann auch Sektoren und Bereiche, die sonst gern übersehen werden – beispielsweise die Hersteller von Gleisen für den Kohletransport. Auf der Liste stehen so Unternehmen, deren Aktivitäten von der Kohleexploration und -förderung über Kohlehandel und -transport bis hin zur Kohleverstromung und zum Bau von Kohlekraftwerken reichen.
Von den 775 dort genannten Unternehmen betreiben 218 Kohlebergbau, 214 Kohlekraftwerke, 110 sind auf beiden Feldern aktiv. Die übrigen 233 bieten verschiedene Dienstleistungen in der gesamten Kohlewertschöpfungskette an. Damit deckt die GCEL nach Angaben von urgewald 88 Prozent der weltweiten Kohleproduktion und 86 Prozent der globalen Kohlekraftwerkskapazität ab.
Relevant waren für die Aktivisten auch Konzerne, die erst noch planen, in die Kohle einzusteigen. Das ist neu: Denn in den Datenbanken der Finanzindustrie, die ohnehin im Schnitt nur auf etwa 100 Unternehmen kommen, tauchen solche Firmen nicht auf. Ein Beispiel ist die malaysische Toyo Ink, die heute noch mit Tinte wirtschaftet, aber künftig auf Kohle umstellen will, weil sie sich davon mehr Gewinn verspricht.
Die GCEL identifiziert zudem 225 Unternehmen, die den Ausbau des Kohlebergbaus und 282 Unternehmen, die neue Kohlekraftwerke planen. Dazu gehört Marubeni – ein riesiges, diversifiziertes japanisches Handelshaus, gleichzeitig Nummer 26 unter den größten Kohlekraftwerksentwicklern der Welt. Marubeni will in neun Ländern Kohlekraftwerke mit mehr als 5.800 Megawatt Leistung bauen.
Datenbank als „effektives Divestmentinstrument“
„Es ist total wichtig, gerade bei der Expansion der Kohleindustrie anzusetzen“, sagt Katrin Ganswindt, die die Liste mitrecherchiert hat. „Die Türkei, wo unterdessen Eon noch in einem Joint Venture an einem Kraftwerkprojekt beteiligt ist, fällt da besonders auf.“
Die Datenbank soll als „effektives Divestmentinstrument“ dienen, wie Schröder sagt. Das soll heißen: Versicherer, Banken, Anleihenkäufer und andere Investoren können hier sehen, wen sie da eigentlich mit ihrem Geld unterstützen, genau das unterlassen und so für die Zukunft zielgenau bestimmen, wie hoch der „Kohlegehalt“ ihres Portfolios sein soll. „Die Finanzwirtschaft verfügt über den entscheidenden Hebel“, sagt Schröder. „Diese Verluste würde die Kohleindustrie sofort spüren.“
Nutzen kann die Datenbank jede*r, der oder die sich über die mächtige, einfallsreiche und vielfältige Kohleindustrie informieren möchte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen