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Investigativer Podcast „Wind of Change“Scorpions – oder CIA?

Mit „Wind of Change“ schrieben die Scorpions 1990 den Soundtrack zum Fall des Eisernen Vorhang. Steckte in Wahrheit die CIA hinter der Powerballade?

Immer wieder „Wind of Change“: Die Scorpions bei der Fernsehshow „50 Jahre Rock“, 2004 in Hannover Foto: Rainer Jensen/dpa

Hamburg taz | Im Dezember 1991 bekam Michail Gorbatschow Besuch aus Hannover: die Scorpions. Erstmals erklang dabei im Kreml jenes Lied, von dem die Rockband gerne sagt, es sei vom Ende des Ost-West-Konflikts, von Glasnost und Perestroika inspiriert gewesen: „Wind of Change“. 1990 veröffentlicht, ist der Song bis heute das Wende- und Wiedervereinigungsstück schlechthin und wohl das bekannteste der Band; die Rede ist, nur als Indiz, etwa von mehr als 800 Millionen Klicks auf Youtube. Dem Abwickler der sozialistischen Sowjetunion brachten die Hannoveraner damals, 1991, neben Geld für örtliche Kliniken denn auch eine Goldene Schallplatte mit.

Fast 30 Jahre später, im Frühling 2019, besuchte in Manhattan Patrick Radden Keefe einen Freund. Dieser Michael telefonierte mit einem Dritten, einem ehemaligen Mitarbeiter des Geheimdienstes CIA. Thema des Gesprächs: eine Geschichte, die der Geheimdienstler zehn Jahre zuvor angedeutet hatte: Hinter „Wind of Change“ stecke – die CIA. Damit beginnt der achtteilige, englischsprachige Podcast, folgerichtig „Wind of Change“ betitelt, der seit Montag komplett bei Spotify angehört werden kann; auf anderen Plattformen erscheint jeweils montags eine neue Folge.

Keefe, Jahrgang 1976, ist vielfach ausgezeichneter investigativer Journalist, hat für die New York Times und Slate.com gearbeitet, aber vor allem beim New Yorker. Mit „Say Nothing“ legte er im vergangenen Jahr das Lieblingsbuch nicht nur von Ex-Präsident Barack Obama vor: eine „wahre Geschichte über Mord und Erinnerung in Nordirland“, so der Untertitel – und ein später Versuch, Licht zu bringen in einen Jahrzehnte zurückliegenden Mord.

Er habe schon über ganz verschiedene Dinge gearbeitet, sagt er zu Beginn des Podcasts. Aber wenn sich ein Faden durch all das ziehen lasse, dann seien es „Geheimnisse“ – Dinge, „die ich nicht wissen sollte“. Was er dabei gelernt habe: Auf den Grund von so etwas führe nie eine gerade Linie. Auch der Spur mit den Scorpions folge er schon seit 2011. Es sei eine Geschichte gewesen, unglaubwürdig, dass er ihr normalerweise nicht nachgegangen wäre: Auch das sagt Keefe ziemlich früh in Folge 1, „My Friend Michael“. Aber weil der den Anstoß gab, tat Keefe es doch – gut für uns.

Info

Wind of Change: acht Folgen je 40 Minuten, seit Montag bei Spotify; Folge #1 auch auf anderen Plattformen

Die Sache sei „verrückt genug, um wahr zu sein“: Das hat Tommy Vietor gesagt, einer der drei Gründer der liberalen Polit-Podcast-Plattform Crooked Media, die „Wind of Change“ koproduziert hat. In einer Pressemitteilung verweist der Außenpolitikkenner, der unter Barack Obama auch für den Nationalen Sicherheitsrat arbeitete, auf verwandtes – und belegtes – Engagement der USA während des Kalten Krieges: „Wir wissen, dass die CIA in den 50er- und 60er-Jahren heimlich kulturelle Events gesponsert hat. Sie haben die Verfilmungen von George Orwells ‚1984‘ und ‚Farm der Tiere‘ finanziert und eine Europa-Tournee des Boston Symphony Orchestra. Warum also nicht auch einer deutschen Rockband dabei behilflich sein, eine Powerballade zu ­schreiben, um den Eisernen Vorhang niederzureißen?“

Auch um den Abstrakten Expressionismus der „New York School“ ranken sich solche Geschichten: Einerseits wäre manchen Historiker*innen und Journalist*innen zufolge diese Nachkriegsmoderne als Gegenteil des Sozialistischen Realismus und also Aushängeschild (nicht nur) kultureller Überlegenheit des Westens herumgereicht worden. Andererseits wurden ihre Vertreter, also Leute wie Jackson Pollock und Mark Rothko, persönlich angefeindet: ironischerweise als „Kommunisten“. Ein Konflikt zwischen CIA und den Außenpolitikern des State Department auf der einen Seite und dem Weißen Haus auf der anderen? Das klingt, als könnte er sich jetzt gerade zutragen.

Eine andere Variante von Zusammenarbeit von CIA und der Entertainmentbranche, nämlich Hollywood, kommt im Pod­cast besonders prominent vor: 1979 flüchteten sechs Angestellte der besetzten US-Botschaft in Teheran ins Haus des kanadischen Konsuls. Um sie zu befreien, inszenierte man gemeinsam Dreharbeiten für einen „Krieg der Sterne“-Abklatsch, der angeblich im Iran gedreht werden sollte: Beteiligt waren echte Filmleute, es gab ein Drehbuch, alles Pipapo.

Der namenlose Insider, der alles ins Rollen brachte, wollte keinesfalls auftauchen in dem Podcast: Das wäre Geheimnisverrat

Diesen Fall zu freizugeben, also nicht länger geheim zu halten, war 1997 unter Präsident Bill Clinton eine Idee der CIA-Spitze selbst: Man wollte endlich auch mal eine gute Geschichte über sich in der Welt haben, die einer gelungenen Operation, nicht immer nur solche von Pleiten und Pannen. Die Rechnung ging auf: Die Iran-Sache wurde 2012 zum später oscarprämierten Spielfilm „Argo“. (Eine andere Lesart: 1979 habe die Unterwanderung Hollywoods durch die Dienste begonnen.)

Es hat in den vergangenen Jahren einige sehr erfolgreiche True-Crime-Podcasts gegeben, also Dramatisierungen wirklicher Ermittlungen in authentischen Fällen. Eine Verästelung waren dann Ich-bezogene Rechercheformate auch ohne Verbrechen: „Missing Richard Simmons“ etwa handelte von der Suche des Autors/Ich-Erzählers Dan Taberski nach seinem früheren Fitnesstrainer. Dass es sich dabei weniger um Aufklärung handeln könnte als ums Stalking eines Menschen, der schlicht nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen wollte: Das fanden manche Kritiker*innen problematisch. Beteiligt waren damals unter anderem die Pineapple Street Studios, die auch bei „Wind of Change“ Produktionspartner sind.

Zur Frage der Relevanz von Keefes Recherche nun mag man unterschiedlicher Meinung sein. Egal aber, wie man steht zur Frage der Urheberschaft des pathetischen Ohrwurms mit dem Pfeifen; egal auch, ob man sich die Rocker aus Hannover nun als Agenten gezielter Destabilisierung vorstellen möchte oder nicht: Am Ende des Podcasts weiß man viel über Geheimdienste und ihre Methoden, auch darüber, wie sie Öffentlichkeit (oder gerade keine) nutzen. Und das alles ist nun höchst relevant.

Der namenlose Informant am anderen Ende des Telefons übrigens, jener Insider, dessen Erzählung alles ins Rollen brachte: Er wollte keinesfalls auftauchen, auch nicht mit verfremdeter Stimme und unter anderem Namen: Er könnte dafür hinter Gitter wandern, sagte er, wegen Geheimnisverrats. Das klingt ernst – oder werden wir hier einfach nur sehr gut an der Nase herumgeführt? Die Herausgeber selbst sprechen immerhin von einer Mischung aus dem Watergate-Thriller „Die Unbestechlichen“ – und der Metal-Mockumentary „This is Spinal Tap“.

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19 Kommentare

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  • Da passen The Fugs ins Bild:

    CIA Man

    "Who can kill a general in his bed?



    Overthrow dictators if they're Red?



    Fucking-a man!



    (Fucking-A! C-I-A!)



    CIA Man!

    Who can find a counter-agent quick?



    Especially the ones, themselves, of it?



    Fucking-a man!



    (Fucking-A! C-I-A!)



    CIA Man!"

    www.youtube.com/watch?v=hW9cCWm53H4

  • Billy Joels "Leningrad" gibt die Stimmung dieser Zeit IMHO eh viel besser wieder als die Schnulze der Scorpions. Heulen kann man allerdings, wenn man sich ansieht wie aus ner ganz passablen Rockband (Lovedrive, Animal Magnetism) ne Schnulzencombo wurde

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich staune mal wieder, worüber nicht geschwiegen wird ...

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Liggers. Aber - Gelle.

      Schon mein Griechischlehrer wußte:



      “Reden ist Silber. Schweigen ist - Blech!“

  • wie Fran Drescher als Bobbie Flekman in This Is Spinal Tap so schön sagt:



    "money talks, bullshit walks!"

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Ist doch scheissegal wer den Mist geschrieben hat ,verursacht aufjedenfall Ohrenbluten.

  • Die Scorpions (wasfürnscheissname) habe ich schon immer gehasst, ebenso wie Madonna und Bob Dylan.

    Garantiert alles von der CIA.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @el presidente:

      Wer die " Schlagerpiloten" und den Idioten aus der " Heyperinio" Werbung nicht gesehen hat ,hat eh' das Grauen nicht gesehen.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    "...Und hierzulande nimmt kein Arsch Notiz davon"...



    (Und das ist gut so.....)

    Es folgen weitere Auszüge:

    ..."Die Deutschen haben sich im Grunde immer für die Männer aus Hannover geschämt, die nie aufgehört haben, amerikanischen Heavy-Metal-Bands mit schlichten Englischtexten nachzueifern. Und daran halten sie eisern fest...."



    ...."Man muss an die Bands denken, die bald nach den Scorpions um 1968 und 1969 gegründet wurden, die größten Bands des Heavy Metal: Black Sabbath, Deep Purple, Led Zeppelin, Nazareth und Uriah Heep. ..."



    ..." Wenn Lemmy Kilmister von Motörhead ans Mikro trat und mit seiner versoffenen Stimme krächzte: "We are Motörhead. And we play Rock 'n' Roll!" war das eine Kriegserklärung. Rock kann schmutzig sein, bei den Scorpions ist er eher wie Softporno ohne Altersbeschränkung...."



    Wie sagte Mikkey Dee.."Aber an Schlaf ist nicht zu denken", murmelt er. "Nur an Bier!"...."

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @05158 (Profil gelöscht):

      Deep Purple und Led Zeppelin sind aber doch keine Heavy Metal Bands .



      Vielleicht Hardrock ,odderr?

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Große klasse!

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @kick:

        Danke.

      • @kick:

        …anschließe mich.

        unterm——



        Es müffelte nach denen noch leicht nach “alte Frau unterm Arm“ (Wolfgang Neuss) - als ich tagsdrauf in Stommelen ne playalong einspielte: 🥳 🎺 🎷



        “Alte Schachteln“ - paschd scho. 😎

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Aach, diese Zitate!



          Da hat man noch die klass. Musik im Kopf und dann dies.

  • und ˋlast Christmas ´ war das Werk des KGB, um das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet zu destabilisieren?



    Klingt schlüssig ...

    • @uli moll:

      In der Tat, das war ein grausamer und heimtückischer Angriff auf den Musikgeschmack und kann nur vom KGB kommen. Danke für dier Analyse.

    • @uli moll:

      Oh je noch eine Verschwörungstheorie: Mensch besucht Freund an exponiertem Ort, der mit einem 3. Unbekannten telefoniert. 3 Gründe, das sofort in den virtuellen Mülleimer zu befördern.



      Danke für den Sarkasmus mit "Last Christmas", wünsche mir von dieser meiner Zeitung mehr kritische Distanz zu so einem Thema und gerne auch den TAZ-Spirit.

  • "Steckte in Wahrheit der CIA hinter der Ballade?" Ein namenloser Informant, CIA, eine polit-podcast platform - sollte man sowas nicht auch eine Verschwörungstheorie nennen? Demonstriert der Autor mit?

  • Gibt es nicht genug Verschwörungstheorien, in der Covid-19 Zeit ? MÜSSEN jetzt die Scorpions mit einem 1990 Ballade als Eyecatcher,als Aufreger als Umsatzbringer? Da telefoniert jemand mit irgendjemand, die SchlapphutTruppe CIA wird aus dem Hut gezaubert und dann noch New York. Podcast passt auch gut in die Jetztzeit... Nein Liebe Taz und nochmal NEIN.. das hat der gequälte Leser nicht verdient...