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Interview zu den Lücken im Dopingkontrollsystem"Fragezeichen laufen mit"

Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop fordert, dass Länder, die Dopingkontrollstandards nicht einhalten - wie Jamaika -, künftig nicht mehr an Olympischen Spielen teilnehmen dürfen.

Prokop über Bolts Verhlaten während und nach dem 100-Meter-Finale: "Das hat mit sportlichem Fairplay nichts zu tun. Diese Art zeugt auch von einer Abwertung der Gegner." Bild: dpa
Interview von Markus Völker

Im Interview: 

CLEMENS PROKOP, 51, ist seit 2001 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Der Jurist war früher Weitspringer.

taz: Herr Prokop, die deutschen Leichtathleten haben bei den Sommerspielen in Athen zwei Medaillen gewonnen. Das wurde als Desaster gewertet. In Peking sieht es bis jetzt ähnlich schlecht aus.

Clemens Prokop: Es gibt noch einige Medaillenchancen. Ich hoffe auf das Überraschungsmoment. Zählen sollte man am Ende der Wettbewerbe.

Ihr Vorgänger im Amt des Verbandspräsidenten, Helmut Digel, sagt, es käme "in der öffentlichen Wahrnehmung einer nationale Katastrophe" gleich, wenn die deutschen Leichtathleten ähnlich mies abschnitten wie vor vier Jahren.

Die Meinung teile ich überhaupt nicht. Entscheidend ist nicht die Medaillenzählerei, sondern das Leistungsvermögen jedes Athleten. Wenn ich mir die Sportler ansehe, dann haben sich viele im Bereich ihrer persönlichen Bestleistung bewegt. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Anke Möldner. Sie ist über 3.000 Meter Hindernis 18. geworden, mit deutschem Rekord.

Oder Hochspringer Raul Spank, der so hoch hüpfte wie noch nie.

Es ist nach langer Diskussion über seine Nominierung in Peking gestartet und 2,32 Meter gesprungen. Er hat zwar auch keine Medaille gemacht, aber eine fantastische Leistung gezeigt. Hier von Enttäuschung zu sprechen, ist schlichtweg Unsinn. Und das Wort "Katastrophe" wird der Sache schon gar nicht gerecht. Ich kann mich nur wundern über solche Äußerungen.

Wird es das Schicksal der deutschen Leichtathleten sein, auf Platz 18 mit nationalem Rekord zu glänzen, während die Weltspitze sich in anderen Dimensionen bewegt?

Wir haben es in der Leichtathletik nicht leicht. Uns wurden nach den Spielen 2004 in Athen massiv die Fördergelder gestrichen.

Um jährlich 650.000 Euro.

Ja, mehrere hunderttausend Euro. Das war eine merkwürdige Maßnahme. Anstatt in die Sportart zu investieren, wurde uns viel Geld weggenommen. Und dann wundert man sich, wenn bei den nächsten Olympischen Spielen nicht die Ergebnisse erzielt werden, die man sich wünscht. Aber gut, mit dem Jahr 2008 hat sich die Situation begonnen zu entschärfen.

Inwiefern?

Der DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund; d. Red.) stellt zum Glück nicht mehr auf die Erfolge der Vergangenheit ab, sondern schließt sogenannte Zielvereinbarungen ab. Es geht um Strategien der Zukunft. Unsere Situation hat sich also ein wenig verbessert. Es bleibt aber noch viel zu tun. Es geht mir um eine grundsätzliche Frage: Wohin soll es mit der olympischen Kernsportart Leichtathletik in Deutschland gehen?

Und?

Wenn wir mit anderen Ländern mithalten wollen, müssen wir die finanzielle Förderung spürbar erhöhen. Wenn man sich anschaut, welche Mittel beispielsweise die britischen Leichtathleten von ihrer Regierung zur Verfügung gestellt bekommen im Rahmen des Sportförderprogramms für die Spiele 2012. Das ist beachtlich. Wir dagegen können finanziell mit vielen Ländern nicht mehr mithalten.

Kann man überhaupt auf hohem Niveau konkurrieren, wenn man für sauberen Sport einsteht?

Es wird immer Leistungen geben, über die man sich nur wundern kann. Aber dann müssen wir eben auf unsere Weise dafür kämpfen, dass Chancengleichheit besteht.

Wie wollen Sie das machen?

Das heißt für mich ganz klar: Das IOC darf nicht Länder zu den Spielen zulassen, die über kein vernünftiges nationales Antidopingkontrollsystem verfügen. Es muss Druck auf diese Länder ausgeübt werden.

Dann wären Athleten aus Jamaika oder den Niederländischen Antillen nicht mehr dabei?

Jamaika hätte ein Problem mit der Teilnahme, ganz klar.

Der deutsche Sprinter Daniel Unger fühlt sich "verarscht", wenn der Jamaikaner Usain Bolt im Schongang zu 9,92 Sekunden im Vorlauf über 100 Meter joggt.

Das hat mit sportlichem Fairplay nichts zu tun. Diese Art zeugt auch von einer Abwertung der Gegner.

Aber Doppelweltrekordler Bolt kann es sich leisten.

Natürlich ist er sportliche Extraklasse, doch auch hier muss man sagen, dass Fragezeichen mitlaufen. Unbestritten ist sein Ausnahmetalent. Aber er ist nicht einem mit Deutschland oder England vergleichbaren Dopingkontrollsystem unterworfen.

Wird das IOC reagieren und die Schwellenländer des Antidopingkampfes künftig draußen lassen?

Ich würde es mir wünschen. Ich glaube, dass das Image der Spiele in Zukunft sehr stark davon anhängen wird, wie glaubwürdig die Leistungen sind. In Peking hat es über 20 Weltrekorde im Schwimmen gegeben, in der Leichtathletik sind es auch schon drei. Das ist ungewöhnlich, das ist erstaunlich. Das IOC ist gefordert, klare Mindeststandards im Antidopingkampf zu formulieren. Wer die nicht einhält, darf nicht teilnehmen.

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