Interview zu Homophobie: "Hasskriminalität gehört auf den Index"
Eine Staatsanwältin kümmert sich ab sofort um Schwule und Lesben. Der Leiter des schwulen Anti-Gewalt-Projekts Maneo, Bastian Finke, lobt dafür die CDU.
taz: Herr Finke, eine Staatsanwältin wird künftig Ansprechpartnerin für gleichgeschlechtliche Lebensweisen sein. Was versprechen Sie sich davon?
Bastian Finke: Dass die Öffentlichkeit sensibler wird für das Thema Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung.
Nach Zahlen des Anti-Gewalt-Projekts Maneo werden 90 Prozent der homophoben Übergriffe von den Opfern gar nicht gemeldet. Was sind das für Taten?
Aber sofort ist die Berliner Oberstaatsanwältin Ines Karl Ansprechpartnerin für Opfer homophober Straftaten. Sie solle auch Kollegen zu homophoben Taten schulen, sagte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Dienstag. Straftaten gegen Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle bearbeitet jetzt eine Abteilung der Staatsanwaltschaft, die um den Bereich Hasskriminalität erweitert wurde. (dpa)
In der Mehrheit handelt es sich um verbale Belästigungen und Beleidigungen. Man wird auf der Straße als „schwule Sau“ beschimpft. Viele Opfer sagen dann: Strafanzeige erstatten bringt doch nichts. Wenn sie merken, dass es nicht nur bei der Polizei eine Ansprechstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen gibt, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft, fassen sie hoffentlich Mut.
Die Aufklärungschancen steigen dadurch nicht direkt.
Natürlich hat die Einrichtung der Anlaufstelle auch viel mit Symbolik zu tun. Es ist ein Zeichen, dass Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung nicht weiter bagatellisiert wird.
Die Stelle bei der Polizei gibt es schon seit 20 Jahren. Die Stelle bei der Staatsanwaltschaft richtet nun ausgerechnet ein CDU-Justizsenator ein. Wie das?
Das ist erstaunlich. Ich kann mir das noch nicht richtig erklären.
Der CDU-Justizstaatssekretär Alexander Straßmeir macht kein Geheimnis daraus, dass er schwul ist. Könnte es auch daran liegen?
Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist es toll. Es verdient große Anerkennung, dass Staatssekretär Straßmeir und Justizsenator Heilmann das in Angriff genommen haben. Es handelt sich ja auch um die Fortsetzung einer Politik, die auch von vielen Abgeordneten vertreten wird. Die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ wurde 2010 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Bei SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue und ihrem Staatssekretär Hasso Lieber habe ich so ein Interesse vermisst.
Gibt es irgendwo anders hauptamtliche Ansprechpartner bei Polizei und Staatsanwaltschaft?
Berlin ist hier in Deutschland ein Novum. Aber die Schwulen- und Lesbenverbände kämpfen überall dafür. Ich hoffe, die anderen Bundesländer ziehen nach. Hasskriminalität ist demokratiezersetzend und gehört auf den Index.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen