Interview mit lesbischem Paar: Der Dreimädchenhaushalt
Matzi und Virginie aus Bamberg schaffen in der Debatte ums Adoptionsrecht für Homo-Paare Fakten. Die Frauen erwarten im September ihr Kind.
taz: Virginie, Sie sind im siebten Monat schwanger, Matzi, ab Oktober werden Sie Mitverantwortung für das Kind Ihrer Lebensgefährtin tragen - sind Sie beide sicher, dass Sie dem Kind optimale Bedingungen gewährleisten können?
Virginie: Wie bitte?
Die für Sie zuständige Sozialministerin Christine Haderthauer von der CSU findet, "Ehepaarfamilien" gewährleisteten am besten optimale Bedingungen im Sinne des Kindeswohls.
Matzi: Ja, klar. In heterosexuellen Partnerschaften gibt es keine Scheidungen und keine vernachlässigten Kinder...
In der Debatte geht es vordergründig um das gemeinsame Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare - aber adoptieren müssen Sie ja gar nicht?
Matzi: Doch, Virginie ist die leibliche Mutter und wir beide werden eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Dann stelle ich einen Adoptionsantrag beim Jugendamt, dass dann die sozialen Bedingungen prüft. Das dauert ungefähr ein Jahr - wie bei Heteros auch.
Virginie, 39, stammt aus Frankreich und ist Personalreferentin. Matzi, 36, ist Vertriebsleiterin im IT-Bereich. Beide leben in Matzis Geburtsstadt Bamberg. Zurzeit machen sie Urlaub in Frankreich und freuen sich auf Oktober.
Gemeinsam hätten Sie kein Kind adoptieren können.
Nein, mussten wir ja auch nicht, wir können ja selbst schwanger werden. Wir haben eine dänische Samenbank konsultiert, die an deutsche Arztpraxen liefert und dann glücklicherweise einen Arzt in der Umgebung gefunden, der die Insemination vorgenommen hat.
Glücklicherweise?
Virginie: Das ist eine rechtliche Grauzone, die Ärzte müssen jedoch damit rechnen, dass Sie Ärger mit der Ärztekammer bekommen - und glücklicherweise hat es beim ersten Mal geklappt.
Wissen Sie, wer der Vater ist?
Nein, aber wir haben uns für einen Ja-Spender entschieden. Das bedeutet, dass er damit einverstanden ist, dass unser Kind ihn ab seinem 18. Lebensjahr kontaktieren kann, wenn es möchte.
Anders als Schwule können Sie relativ unproblematisch Tatsachen schaffen. Hatten Sie dennoch Bedenken, diesen Schritt zu tun?
Virginie: Allerdings. Wir haben uns jahrelang schwer getan mit der Entscheidung, hatten alle möglichen Ängste.
So wie Wolfgang Bosbach, Unions-Fraktionsvize der CDU der im Namen seiner Partei sagt "Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass Kinder am besten in einer Beziehung von Mann und Frau aufwachsen".
Virginie: Ja, so ähnlich. Wir hatten aufgrund genau dieser von Konservativen vertretenen Vorurteile Zweifel, ob wir das dem Kind antun dürfen: Wird es von seiner Umwelt blöd angemacht werden? Wird es schikaniert? Wird seine Geschlechtsidentität beschädigt? Und ist es von unserer Seite aus legitim, unsere Wünsche in den Vordergrund zu stellen?
Eine erste repräsentative Studie des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Ihrer Heimatstadt Bamberg gibt Entwarnung: Sie besagt, dass homosexuelle Paar keine schlechteren Eltern sind. Beruhigt Sie das?
Matzi: Den Entschluss haben wir ja schon vor Bekanntmachung der Studie gefasst - irgendwann war der Kinderwunsch einfach stärker als die Angst. Und ermutigt haben uns vor allem unsere Freunde. Heterosexuelle mit Kindern, besonders die Väter haben uns immer wieder gefragt, wann wir nun endlich loslegen!
Gibt es denn auch Kritik in Ihrem Umfeld?
Matzi: Einige Verwandte Virginies hatten Bedenken. Aber das liegt daran, dass sie Schwule und Lesben nur von den Fernsehbildern des CSD kennen: alles Paradiesvögel. Aber das ist so, als ob man Heterosexuelle auf die Bilder vom Karneval reduziert. Oder auf die aus dem Fußballstadion.
A propos Rollenbilder: Wer von Ihnen wird nach der Geburt Hausfrau und Mutter?
Virginie: Ich werde ein Jahr Elternzeit nehmen, Matzi kann im Anschluss ebenfalls Elternzeit nehmen, weil sich die Regelung auch bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft danach richtet ob "ein Kind im Haushalt" vorhanden ist.
Matzi: Danach haben wir dann wie alle anderen in Bamberg das Problem, einen Krippenplatz zu finden - da hat Frau von der Leyen noch eine Menge zu tun.
Und wird es nun ein Junge oder ein Mädchen?
Virginie: Unsere Frauenärztin hat uns gesagt, dass wir ein Dreimädelhaushalt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“