Kommentar Gleichgeschlechtliche Eltern: Hilfe, meine Eltern sind schwul!

Die klassische Familie als so genannte "anthropologische Konstante" soll unangefochten an erster Stelle stehen. Im richtigen Leben schaffen Schwule und Lesben schon lange Tatsachen.

In Deutschland leben schon jetzt 6.600 Kinder, die in Regenbogenfamilien groß werden - also mit Eltern, die entweder schwul oder lesbisch sind. Dies sagt eine Studie der Universität Bamberg. Zugleich räumt sie mit jenen Bedenken auf, die von Konservativen (und nicht nur diesen) bisher gegen ein gemeinsames Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ins Feld geführt wurden. Homosexuelle Paare sind keine schlechteren Eltern, die Kinder entwickeln sich genauso gut wie in anderen Familienformen, so fasst Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) das Ergebnis zusammen.

Zypries fordert ein gemeinsames Adoptionsrecht, unterstützt von FDP, Grünen und der Linkspartei - insbesondere die kleinen Parteien hoffen auf die Stimmen der Schwulen und Lesben bei der nächsten Bundestagswahl. CDU und CSU halten dagegen - und hoffen auf die Stimmen jener, die sich unwohl fühlen bei dem Gedanken, dass die bürgerliche Ehe von Mann und Frau nicht allein glückselig machend sein soll. Die klassische Familie als "anthropologische Konstante" und "besondere Verantwortungsgemeinschaft", wie man es in der Welt formuliert, soll unangefochten an erster Stelle stehen. So war es immer, so soll es - bitte schön - immer sein.

Im richtigen Leben schaffen die Schwulen und Lesben jedoch schon lange Tatsachen. Niemand kann Lesben daran hindern, schwanger zu werden. Schwule finden Mittel und Wege, Kinder zu adoptieren (eben einer nach dem anderen statt gemeinsam), oft sind die Behörden sogar froh, wenn Schwule sich jener Kinder annehmen, die den "besonderen Verantwortungsgemeinschaften" nicht exklusiv genug erscheinen, sei es aufgrund ihrer Hautfarbe, der Gesundheit oder der sozialen Herkunft.

Verantwortlich wäre es, dieser tatsächlichen Entwicklung endlich Rechnung zu tragen und schwulen und lesbischen Eltern jene Steine aus dem Weg zu räumen, die man ihnen dann auch noch zum Vorwurf macht. Wenn Kinder von Schwulen und Lesben es tatsächlich schwerer haben sollten als andere Kinder, dann doch wohl aufgrund der Diskriminierung, der sie und ihre Eltern ausgesetzt sind.

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* 21. Februar 1973 in Wittlich; † 26. Mai 2023 in Berlin, war Redakteur der taz am Wochenende. Sein Schwerpunkt lag auf gesellschaftlichen und LGBTI-Themen. Er veröffentlichte mehrere Bücher im Fischer Taschenbuchverlag („Generation Umhängetasche“, „Landlust“ und „Vertragt Euch“). Zuletzt erschien von ihm "Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik" im Suhrkamp-Verlag (2018). Martin Reichert lebte mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Neukölln - und so oft es ging in Slowenien

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