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Internetsender wahrewelle.tvVerschwörung als Stilmittel

Die Bundeszentrale für politische Bildung will mit einem vermeintlichen Fake News Sender junge Leute aufklären – und erntet Kritik.

„Frontal23“, „Bielefeld Tag und Nacht“ – WahreWelle zitiert bekannte TV-Formate Screenshot: wahrewelle.tv

Wir wissen gar nichts. Die wahren Herrschenden sitzen nämlich im Innern der Erde, sind eigentlich Echsenmenschen und halten uns durch Chemtrails gefügig. Seit Montag beschäftigt sich der Nachrichtensender Wahrewelle.tv mit den handelsüblichen Verschwörungstheorien.

Nur ist Wahrewelle.tv ein Satireprojekt der Bundeszentrale für politische Bildung, bpb, und angetreten, Verschwörungstheoretikern den Nährboden zu versalzen. Wie soll das gelingen?

Das Marketing begann Mitte letzter Woche. Da erschien der Trailer für Wahrewelle.tv. Dieser impliziert in bedrohlichen Archivaufnahmen eine apokalyptische Dringlichkeit: Gift aus der Luft, zu viele offene Fragen bei 9/11, die Gefahr der Islamisierung. Es gehe darum, die „Wahrheit hinter der Wahrheit“ zu entdecken. „Das Erwachen hat begonnen“, heißt es.

Bis Montag spekulierten Menschen in Sozialen Netzwerken über die Echtheit. Denn die Macher erzeugten „eine kritische Masse an Kredibilität“, wie es Thomas Krüger, der Präsident der bpb nennt. Zusätzlich zum Trailer hatte die bpb Stellenanzeigen geschaltet.

Alle großen Verschwörungen

„Wir haben wirklich einige Bewerbungen erhalten“, sagt Krüger. Auch auf der linken Szene-Website Indymedia erschien ein Artikel, der die Echtheit von Wahrewelle.tv andeutete. Ob der Artikel von der bpb stamme, will Krüger nicht verraten, lacht aber hörbar durchs Telefon. Insgesamt ist er zufrieden: „Am Ende wurde es überall diskutiert.“

Wahrewelle.tv handelt alle größeren Verschwörungstheorien ab: jüdische Weltverschwörung, Deutschland GmbH, Umvolkung und mehr. Eingebettet sind sie in bekannte Fernsehformate. „Bielefeld Tag und Nacht“ etwa handelt von einer WG, in der die eine Mitbewohnerin überzeugt ist, dass die Erde eine Scheibe ist und die andere eine Affäre mit einem Echsenmenschen hat. „Die Kreativen hatten sichtlich Spaß bei der Arbeit“, sagt Krüger.

„Frontal 23“ ist auf den ersten Blick ein seriöses News-Format. Es behauptet, die „Staatsmedien“ betrieben die Islamisierung Deutschlands, indem sie „langbärtige Salafisten“ aussetzten. Andere Formate persiflieren die „Supernanny“, „Galileo“ oder „Zurück in die Zukunft“. Jedes der Videos dauert etwa vier Minuten, ist überzogen, albern und endet mit einer Anzeige der bpb: „Lass dir keinen Scheiß erzählen“.

Eine Marketingkampagne wie eine Verschwörungstheorie. Sie wurde verbreitet, sie verwirrte, einige glaubten ihr, andere nicht. „Fünf Tage lang haben wir ganz bewusst Verunsicherung gestiftet. Junge Leute sollen schon dadurch lernen, dass sie Informationen überprüfen müssen“, sagt Krüger.

Verschwörung als Pädagogik

Denn hinter Wahrewelle.tv steckt ein pädagogischer Gedanke. „Niemand ordnet mehr jungen Menschen im Netz Informationen ein. Deshalb müssen sie lernen, das selbst zu tun“, erklärt Krüger. „Durch Social Media haben Verschwörungstheorien eine ganz neue Durschlagkraft erhalten. Das müssen wir beantworten.“

Allerdings, mahnt Giula Silberberger, könne Satire nicht der einzige Weg sein, um Menschen zu schützen. Sie ist Expertin für Verschwörungstheorien und betreibt das Projekt „Der Goldene Aluhut“, das jedes Jahr die absurdeste Theorie auszeichnet.

„Prävention gehört genauso dazu. Häufig sind Menschen, die sowas glauben, verlorene Persönlichkeiten. Sie treffen im Netz auf Bauernfänger und verfallen ihnen. Rechte Verschwörungstheoretiker geben einfache Antworten auf ihre Fragen. Und an die wollen wir sie nicht verlieren.“ Insgesamt mag Silberberger das Konzept von Wahrewelle.tv. „Die Reaktionen im Netz zeigen, dass das Angebot angenommen wird“, sagt sie.

Einige Nutzer werfen der bpb hingegen vor, nun selbst Verschwörungstheorien zu verbreiten. Thomas Krüger akzeptiert das. „Es gibt Menschen, die sich reingelegt fühlen, das ist berechtigt.“

Dennoch ist er überzeugt: „Wer nicht bei drei auf den Bäumen ist, erkennt, dass das Satire ist“, sagt er. „Wir wollen junge Leute ermutigen, sich politisch zu beteiligen. Denn die nehmen Informationen immer seltener schriftlich auf. Satirische und audiovisuelle Inhalte erreichen im Internet auch die, die nicht privilegiert und sowieso schon informiert sind. Die bpb wird von Steuergeldern bezahlt. Alle Leute haben ein Recht auf Bildung.“

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