Internet in Peking: Olympische Mauer
Die digitale Freiheit für Olympiareporter endet im Hotel im dritten Stockwerk. Versuche, die Hindernisse zu überwinden, werden schnell unterbunden.
D urch das Hotel, in dem ich in Peking untergebracht bin, verläuft eine Mauer. Es ist die große olympische Mauer. Sie trennt die ersten beiden Stockwerke von den höher gelegenen Etagen. Unten gibt es das olympische Internet, wo mir alle Websites und Dienste zur Verfügung stehen, die ich auch zu Hause in Berlin nutze. Oben im dritten Stock, in dem mein Zimmer liegt, kann ich nur das aufrufen, was im nichtolympischen China erlaubt ist. Komme ich nach getaner Arteit in mein Zimmer, erlebe ich die vielleicht einzigen chinesischen Momente meiner Reise zu den Spielen. Das ist gar nicht mal so einfach, denn ich muss auf einiges verzichten.
Ich kann keine Nachricht über Whatsapp schicken. Und andere Messengerdienste verweigern mir ebenfalls die Kommunikation. Ich bin abgehängt von Facebook und Twitter, was zwar ungewohnt ist, aber irgendwie auch wurscht. So kann ich mir nicht anschauen, welche Story die chinesisch-amerikanische Postersportlerin Eileen Gu auf Instagram gerade wieder rausgehauen hat. Als ihr vorgeworfen wurde, dass ihre Fans in China ihr sowieso nicht folgen können, meinte sie in einer Antwort auf Instagram, jeder könne sich doch einen VPN-Tunnel legen, auf dass ihm die nichtchinesische Welt offenstehe.
Der Post ist längst wieder gelöscht und ich denke mir, dass es so einfach nun auch wieder nicht ist mit den Tunneln. Denn der Weg unter der Großen Firewall der Chinesen hindurch, den mir die Techniker der taz gewiesen haben, funktioniert nicht mehr. Zwei Tage lang konnte ich damit über den Umweg Deutschland ins Netz. Dann ging nichts mehr. Auch meine Mails kann ich auf dem Hotelzimmer nicht abrufen.
Dazu muss ich runtergehen ins Foyer, wo das Olympianetz herrscht, zu dem alle Zugang haben, deren Akkreditierungsnummer dafür freigeschaltet ist. Die freundlichen Damen und Herren vom Hygieneteam, von denen ich leider nicht weiß, wie sie aussehen, weil sie wirklich immer diese weißen Ganzkörperanzüge, Schutzbrillen, Haarnetze und Masken tragen, gehören nicht dazu.
Aber auch meine Versuche, die Mauer zu überwinden, scheitern. Die Anmeldung beim chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo misslingt. Die Bestätigungs-SMS auf mein Handy, die es für die Anmeldung braucht, will einfach nicht ankommen. Wie lautet nochmal das Motto der Spiele, das auch an dem blickdichten Zaun aufgetragen ist, der mein Olympiahotel von Restchina abtrennt? „Together for a shared future“. Nun ja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen