Interner Streit im Nobelkomitee: Mehrheit war gegen Obama-Ehrung
Drei der fünf Komiteemitglieder sollen zunächst gegen den Friedensnobelpreis für Obama gewesen sein. Alle Mitglieder verteidigen aber einstimmig die Entscheidung.
BERLIN afp/ap/taz | Die Auszeichnung des US-Präsidenten Barack Obama war offenbar innerhalb des Nobelkomitees stark umstritten. Einem Bericht der norwegischen Tageszeitung Verdens Gang zufolge waren drei der fünf Jury-Mitglieder anfangs gegen die Auszeichnung gewesen. Nur die Sozialdemokraten Thorbjörn Jagland und Sissel Ronnebek sollen von Anfang an dafür gewesen sein.
Unter Berufung auf verschiedene Quellen schreibt Verdens Gang, dass die konservative Ex-Ministerin Kaci Kullmann Five und die Vertreterin der rechtspopulistischen Fortschrittspartei Inger-Marie Ytterhorn in Frage gestellt hatten, ob Obama seine Versprechen halten würde. Sie hätten dabei auf die vielen innenpolitischen Probleme Obamas – beispielsweise mit der Gesundheitsreform – verwiesen. Kritik soll auch von der Linkssozialistin Agot Valle gekommen sein, die auf den von Obama weiter geführten Afghanistankrieg verwiesen hatte.
Dennoch ließen sich offenbar alle drei umstimmen: Verdens Gang zufolge wurde die Atomwaffengegnerin Valle durch Obamas Auftritt vor den Vereinigten Nationen überzeugt, bei dem er "eine Welt ohne Atomwaffen" gefordert hatte. Five und Ytterhorn wollten den Streit nicht kommentieren. "Es gab eine einstimmige Entscheidung und ich stehe dahinter", sagte Five.
Gemeinsam wiesen die Komiteemitglieder auch Kritik zurück, dass Obama den Friedenspreis nicht verdient habe. "Wir stimmen dem einfach nicht zu, dass er nichts getan hat", sagte der Leiter des Komitees, Thorbjörn Jagland. Er verwies auf Obamas Bemühungen, die Kluft zwischen dem Westen und der islamische Welt zu überbrücken und den Raketenschild in Europa auf den Prüfstand zu stellen. Das alles habe zu einer "Welt mit weniger Spannungen beigetragen", so Jagland.
Unterdessen zeigte sich der Sekretär des norwegische Nobel-Komitees, Geir Lundsted, gelassen über den Bericht. Das Gremium beginne immer mit vielen Kandidaten und vielen verschiedenen Standpunkten. "Das war in diesem Jahr auch nicht anders." Am Ende sei die Entscheidung aber "einhellig" gefallen.
Obamas überraschende Auszeichnung war in den USA sowohl von den Medien als auch den Republikanern als unverdient kritisiert worden. Die US-Amerikanische Friedensaktivistin Cindy Sheehan nannte sie außerdem eine "Ohrfeige für die ganze Friedensbewegung". Experten waren davon ausgegangen, dass es noch zu früh sei, Obama zu ehren - schließlich ist er seit knapp zwei Wochen vor dem Ende der Nominierungsfrist am 1. Februar im Amt.
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