Interner Streit beim Hamburger BSW: Wagenknecht-Partei will Kritiker rauswerfen
BSW-Vorstand beantragt Ausschluss von Dejan Lazić und Norbert Weber und lässt Mitgliedsrechte ruhen. Parteienrechtler zweifelt das Vorgehen an.
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In dem Beschluss wirft der Vorstand Lazić und Weber „satzungswidriges und parteischädigendes Verhalten“ vor. Unter anderem hätten sie Vereinigungen gegründet, von denen sie sagten, es wären Verbände des BSW und in deren Namen sie rechtserhebliche Handlungen wie die Anmeldung eines Kandidaten zur Bundestagswahl vorgenommen hätten.
Der Streit geht um die Frage, ob die Partei von oben „top down“ oder von unten nach oben aufgebaut wird. Lazić und Weber streiten dafür, dass nicht nur der Bundesvorstand, sondern auch die Gliederungen vor Ort Mitglieder aufnehmen dürfen und gründeten tatsächlich am 15. Dezember, als die angekündigte Gründungsversammlung wegen Raumproblemen kurzfristig abgesagt wurde, in von ihnen organisierten Räumen einen Hamburger Landesverband.
Zudem fochten sie die Art und Weise an, wie der BSW-Bundesvorstand eine Woche später, am 21. Dezember, den offiziellen Landesverband wählen ließ. Immerhin beschloss daraufhin der Bundesvorstand für den 11. Januar besagte Neuwahl der Gremien.
Ausschluss vom Parteitag
Doch nun dürfen Lazić und Weber am Parteitag für diese Wiederholungswahl nicht teilnehmen und auch nicht am Bundesparteitag tags drauf. Denn weil ein Ausschlussverfahren länger dauere, ruhten deren Mitgliederrechte „ab sofort“. Einzig bei der für Samstagnachmittag geplanten Kandidatenkür für den Bundestag dürfen die Rebellen dabei sein, weil es rechtlich nicht anders geht.
Wie aus Parteikreisen zu hören ist, wird die Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic auf Platz 1 und ihr Mitarbeiter Konstantin Eulenburg auf Platz 2 kommen.
Ein Sprecher des BSW sagt zum Ausschluss, das Agieren der beiden sei aus Sicht des Bundesvorstands „nicht als – absolut wünschenswerte – konstruktive Kritik zu werten, sondern als Versuch, das BSW durch Anträge und Klagen zu blockieren, zu diskreditieren und zu schädigen“. Um die Partei vor solchem Verhalten zu schützen, solle sie langsam wachsen.
Dejan Lazić indes sagt, er habe mit diesem Schritt nicht gerechnet. „Wir wollten bei dem Landesparteitag am Samstag versöhnend auftreten und konstruktive Lösungsvorschläge einbringen, um die Partei wieder zusammenzuführen“. Doch mit dem Ausschluss werde dieser Versuch „im Keim erstickt“.
Weber spricht von einen Maulkorb und sagt: „Wir geben uns nicht geschlagen.“ Die beiden wollen gegen den Ausschluss und Ordnungsmaßnahmen vorgehen und ein Eilrechtsschutzverfahren vor dem Berliner Zivilgericht anstrengen. Denn der Bundesvorstand habe ihnen kein Gehör geschenkt. Auch nannte ihnen der Vorstand als Beschwerdemöglichkeit nur jenes Landesschiedsgericht, das am 11. Januar erst neu gewählt wird.
Der Parteienrechtler Martin Morlok stimmt den beiden in diesen Punkten zu. „Das Parteienrecht sagt, dass es ein faires Verfahren bei Ordnungsmaßnahmen geben muss. Ein faires Verfahren liegt sicherlich nicht vor, wenn man die Betroffenen nicht anhört.“
Es sei auch nicht zumutbar, die beiden an ein Schiedsgericht zu verweisen, das die Partei selbst als nicht rechtssicher gewählt einschätzt. „Ich würde den Betroffenen raten, dass man sofort zu einem staatlichen Gericht geht, damit eine einstweilige Verfügung erlassen wird, dass die Ordnungsmaßnahmen vorerst außer Kraft gesetzt werden.“
Tatsächlich gibt es inzwischen ein Knäuel an juristischen Auseinandersetzungen. So klagt offenbar der Vorstand des am 15. Dezember von den Rebellen gegründeten Verbandes darauf, dass der Bundesvorstand ihn beim Bundeswahlleiter anmeldet. Da der BSW versäumt habe, die Gründung anzufechten, müsse er das tun.
Zudem wollen Lazić und Weber zur Not erzwingen, dass das Bundesschiedsgericht des BSW über die Anfechtung der Landesverbandsgründung vom 21. Dezember entscheidet, und im Fall einer Ablehnung vor Gericht gehen. Sollte die Anfechtung durchkommen, stünde in Hamburg zur Bürgerschaftswahl eine Partei auf dem Stimmzettel, die bei ihrer Listenaufstellung keinen Landesverband hatte.
„Das wäre ein schwerwiegender Anfechtungsgrund für die Bürgerschaftswahl“, sagt Lazić. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sagte, sie habe an der sorgfältigen Prüfung durch den Landeswahlleiter „keinen Zweifel“.
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