Internationales Strafgericht: Freies Geleit für Netanjahu?
Der kommende Kanzler Friedrich Merz will internationales Recht umgehen bei einem Besuch des israelischen Präsidenten in Deutschland.
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Politisch hat Merz’ Aussage aber Sprengkraft und dürfte die Koalitionsverhandlungen belasten. Denn der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat im November Haftbefehl gegen Netanjahu und Israels Ex-Verteidigungsminister Yoav Galant erlassen. Es bestehe der Verdacht, dass die beiden für Kriegsverbrechen und für Verbrechen gegen die Menschlichkeit beim Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen verantwortlich sind. Unter anderem wird ihnen das Aushungern der Zivilbevölkerung vorgeworfen.
Der Haftbefehl ist für alle 124 Vertragsstaaten des IStGH verbindlich, also auch für Deutschland. Zwar ist Israel kein Vertragsstaat. Der IstGH ist aber zuständig, weil Palästina das Römische Statut des Gerichtshofs ratifiziert hat und die mutmaßlichen Taten auf palästinensischem Boden verübt wurden.
Merz will „Mittel und Wege“ finden
Netanjahu hatte Merz nach seinem Wahlsieg angerufen. Dabei habe Merz ihn eingeladen, verkündete zunächst Netanjahus Büro. Merz bestätigte das am Montag. Er habe Netanjahu in dem Telefonat zugesagt, dass er für den Fall eines Besuchs „Mittel und Wege“ finden werde, „dass er Deutschland besuchen und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist“.
Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid deutete an, dass die SPD das Merz-Manöver nicht mitträgt. „Die Unabhängigkeit des IStGH ist von zentraler Bedeutung, und wir respektieren seine Verfahrensabläufe sowie die Entscheidungen seiner Organe. Dies gilt ausnahmslos“, sagte Schmid.
Für die Vollstreckung von Haftbefehlen des Internationalen Strafgerichtshofs und die Überstellung nach Den Haag ist in Deutschland die Generalstaatsanwaltschaft im Bundesland der Festnahme zuständig*. Die Bundesregierung kann einer Landesbehörde keine Vorgaben machen. Nach Darstellung von Rechtsprofessor Kai Ambos wären Weisungen, den Haftbefehl zu missachten, auch inhaltlich rechtswidrig.
*Hier stand zunächst, der Generalbundesanwalt in Karlsruhe sei zuständig. Dies wurde korrigiert.
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