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Internationales Literaturfestival BerlinAusbeutung zwischen den Zeilen

Angestellte des Literaturfestivals beklagen schlechte Arbeitsbedingungen und Machtmissbrauch durch den Leiter. Der verspricht Änderungen.

Sein Führungsstil soll aggressiv und respektlos sein: Festivalleiter Ulrich Schreiber Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Es sind schwere Vorwürfe, die Mit­ar­bei­te­r*in­nen des noch bis Samstag in Berlin stattfindenden internationalen Literaturfestivals gegen den Leiter Ulrich Schreiber erheben: Von „Machtmissbrauch“ ist die Rede, einem „toxischen Arbeitsklima“ und Drohungen gegenüber Untergebenen.

In einer E-Mail an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und den Träger des renommierten Festivals, die Peter-Weiss-Stiftung, die der taz vorliegt, beklagen die Mitarbeiter*innen, dass der Führungsstil von Schreiber „in einem nicht akzeptablen Maß“ von „Aggressivität, Respektlosigkeit, Misstrauen und Unprofessionalität“ geprägt ist.

Die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen sehen gar die „psychische und physische Gesundheit“ der Festival-Mitarbeitenden „in akuter Gefahr“: So sollen die Missstände bei Angestellten zu Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen und Zusammenbrüchen geführt haben.

Das internationale Literaturfestival Berlin (ilb), bei dem rund 200 Au­to­r*in­nen ihre Werke vorstellen – darunter prominente Schrift­stel­le­r*in­nen wie Margaret Atwood und No­bel­preis­trä­ge­r Abdulrazak Gurnah – findet seit dem 7. September in der Hauptstadt statt. Der Gründer und Direktor Ulrich Schreiber bezeichnete es zur Eröffnung als „das politischste“ aller großen Literaturfestivals. Dass er selbst zum Politikum wird, hatte er dabei wohl nicht im Sinn.

Wutausbrüche an der Tagesordnung

Zahlreiche langjährige Mit­ar­bei­te­r*in­nen berichten der taz von „furchtbaren“ und „unhaltbaren“ Zuständen im Umgang Schreibers mit seinen Angestellten – und das bereits seit vielen Jahren. Wutausbrüche seien an der Tagesordnung, ebenso wie Kündigungsandrohungen. Bereits im April hätten sie diese in einem Dossier gesammelt und intern bekannt gemacht.

Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solcher Führungsstil der Vergangenheit angehören muss

Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Festivals

Weil daraufhin nichts passierte, wendeten sie sich Ende August mit der Bitte um Unterstützung an die Politik. „Machtmissbrauch in Form von direktem Anschreien, lautem, aggressivem, drohendem Umgangston“, „Abwerten, Bloßstellen und Ignorieren von Mitarbeiter*innen“ sowie ein „dauerhaft deutlich zu hohes, meist bis zum äußersten ausgereiztes Arbeitspensum in viel zu wenigen Arbeitsstunden“, lauten unter anderem die Vorwürfe.

Der 71-jährige Schreiber räumt gegenüber der taz ein, dass es mit Teilen des Teams Auseinandersetzungen über die Arbeitskultur gebe. So sei er in der Vergangenheit während des Festivals ab und an „etwas ungehalten gewesen“ und habe „hin und wieder mal die Stimme gegenüber Mitarbeitern erhoben“, wenn es zu Konflikten gekommen sei. Auch habe er dabei möglicherweise erwähnt, dass es ja auch noch andere Jobs gebe – als Drohung will er das aber nicht verstanden wissen. „Das Bild, das da von mir gezeichnet wird, trifft nicht zu“, sagt Schreiber.

Hauptförderer des Festivals sind der Hauptstadtkulturfonds, das Auswärtige Amt und die Heinrich-Böll-Stiftung. Auf taz-Anfrage bestätigen die Senatskulturverwaltung und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), dass ihnen die Vorwürfe bekannt seien und man „unverzüglich Gespräche mit allen Beteiligten“ geführt habe.

Strukturelle Veränderungen geplant

Bund und Land wollen nach dem Festival Gespräche darüber führen, „wie die Strukturen und Abläufe“ neu organisiert werden können, dass diese „auch in Zeiten größter Betriebsamkeit nicht zu extremen Arbeitsbelastungen führen“, sagt ein Sprecher der Senatskulturverwaltung der taz. Man wolle auch den Vorwurf prekärer Arbeitsverhältnisse prüfen – bei dem Festival sollen mehr als 40 Personen nur ehrenamtlich arbeiten.

Ob das den Mit­ar­bei­te­r*in­nen reicht, ist fraglich. „Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solcher Führungsstil der Vergangenheit angehören muss“, schreiben sie und fordern eine personelle Neuaufstellung. Die schließt Schreiber gegenüber der taz jedoch explizit aus. „Wir ziehen jetzt erst einmal das Festival durch, danach wird es strukturelle Veränderungen geben“, verspricht er. Damit meint er aber vor allem die Größe des Festivals. „Es wird verkleinert“, sagt Schreiber.

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6 Kommentare

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  • Starker Toba, und nicht mehr der Zeit gemäß! Ein genialer Chef, wie es die BZ schriebt, aber kein Gefühl für Kommunikation und wertschätzenden Umgang. Von solchen Chefs gibt es, leider noch viel mehr. Meinem Gefühl nach dürfte es sich in einer Größenordnung von ca. 50 % oder auch mehr bewegen. Mit Macht umgehen, verleitet leider viele dazu, sich als absolut zu setzen, oder wie es die BZ schreibt als "genial"! Aber genial ist kein Chef, der "hin und wieder mal die Stimme erhebt". Diese Forumlierung hätte ein >Komiker nicht bessser formulieren können. Es ist etwas im Argen mit dem Führungspersonal in Deutschland. Wie es in anderen Ländern aussieht, keine Ahnung. Aber: So geht es nicht, mag der Chef noch so genial sein. Wobei: Ich bin natürlich auch ein "Genie", laß es die anderen aber nicht so merken, es reicht mir zu wissen, dass ich ein Genie bin! So geht genial!

  • Traurig, dass ein Festival, dass thematisch für Toleranz und Dekonstruktion bestehender Machtverhältnisse steht, von so einer Person geleitet wird. Der „Lösungsvorschlag“, das Festival zu verkleinern, ist wirklich mehr als zynisch… Herr Schreibers Führungsstil wird sich damit wohl kaum ändern.



    Ich bin gespannt, wie Politik und Förderer reagieren.

    @taz: hat das Konsequenzen für die Medienpartnerschaft mit dem ilb?

  • Endlich! Das hat mensch immer wieder gehört, wie schlecht das Arbeitsklima beim ilb ist. Und völlig richtig, so ein Führungsstil gehört der Vergangenheit an. Hoffentlich ändert sich jetzt wirklich etwas. So etwas können und dürfen die Förderer nicht unterstützen!!

  • Vielen Dank für den wichtigen Artikel! Hoffentlich ändert sich hier bald etwas, denn der patriarchale Führungsstil ist dem Festival nicht angemessen.

  • Dieser patriarchale Führungsstil ist dem Festival nicht angemessen! Hoffentlich wird sich auch hier etwas ändern. Danke für den Mut und die wahren Worte.

  • Danke, Danke, Danke! Dieser Artikel über die Arbeitsverhälnisse beim internationalen literaturfestival berlin sollte auch die Verantwortlichen endlich wachrütteln. In der Berliner Kulturszene ist doch seit Jahren bekannt, wie Herr Schreiber mit seinen Mitarbeiter*innen umgeht, aber nie wurde etwas unternommen. Es ist wirklich höchste Zeit für einen Wechsel an der Spitze.