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Insolvente KrankenhäuserUnvermeidbar, aber schmerzhaft ​

Wegen wirtschaftlicher Probleme gehen immer mehr Krankenhäuser insolvent. Die Krankenhausreform ist daran nicht Schuld, trägt aber wenig zu einer Besserung bei.

Operation Krankenhausreform erfolgreich, Patientenstatus unklar Foto: Daniel Karmann/dpa

Die Meldungen über Pleiten häufen sich. Laut der deutschen Krankenhausgesellschaft ist die wirtschaftliche Situation der Kliniken so dramatisch wie noch nie. Fast jede sechste Klinik in ihrer Trägerschaft sei insolvent, meldet derweil das Deutsche Rote Kreuz. Die Krankenhäuser in Deutschland ächzen unter den steigenden Kosten. Und doch stehen sie mit dem Inkrafttreten der Krankenhausreform erst am Anfang einer langen Transformation.

Wie überall spüren die Kliniken die desolate wirtschaftliche Lage im Land: die Inflation, die hohen Personalkosten wegen des Fachkräftemangels, die fehlenden Investitionen. Immer mehr Krankenhäuser zwingt das in die Insolvenz – und nicht jedes von ihnen wird gerettet werden.

„Viele Krankenhäuser, auch solche, die wir dringend brauchen, werden nach aktuellem Stand schließen müssen – mit entsprechend drastischen Folgen für die Gesundheitsversorgung gerade im ländlichen Raum“, warnt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt gegenüber der taz. Zuletzt hatten fünf Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz und eines in Hessen in der Trägerschaft des DRK Insolvenzanträge gestellt.

Verantwortlich dafür macht Hasselfeldt auch die in diesem Jahr in Kraft getretene Krankenhausreform. „Die aktuelle Reform greift erst 2027 richtig, aber das nötige Personal müssen wir jetzt schon vorhalten, nicht einmal die gestiegenen Personal- und Sachkosten werden abgedeckt.“

Übergangsphase für angeschlagene Häuser schwierig

Die umstrittene Krankenhausreform war im Herbst von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Ihr Ziel: Das teure und ineffektive Krankenhaussystem soll reformiert werden. Dafür sieht die Reform vor, dass es zukünftig weniger und dafür spezialisiertere Krankenhäuser gibt. Die Finanzierung soll stärker durch sogenannte Vorhaltepauschalen sichergestellt sein – Krankenhäuser bekommen dann nicht nur Geld für eine Behandlung, sondern dafür, dass sie Behandlungskapazitäten vorhalten. Das soll insbesondere strukturell wichtige Krankenhäuser auf dem Land finanziell entlasten.

Die Übergangsphase ist für die ohnehin wirtschaftlich angeschlagene Häuser besonders prekär.

Bevor die Transformation jedoch Fahrt aufnehmen kann, ist es an den Bundesländern, eine sogenannte Krankenhausplanung zu erstellen. Darin wird definiert, welche Krankenhäuser erhalten bleiben sollen und welche nicht. Bis 2027 haben sie dafür Zeit. Die Übergangsphase bis dahin ist für die ohnehin wirtschaftlich angeschlagene Häuser besonders prekär. Unklar ist nämlich, ob sie laut Planung überhaupt weiterhin existieren sollen.

Gesundheitsexperte: „Transformationszeit wirklich unglücklich“

Wolfgang Greiner, Gesundheitsökonom an der Universität Bielefeld, kennt das Problem: „Es ist eine Transformationszeit, die wirklich unglücklich ist.“ Bereits in den letzten Jahre konnten die Krankenhäuser nicht kostendeckend agieren. Die Steigerungsrate bei der Krankenhaus-Kostenerstattung habe unter dem Inflationswert gelegen, so der Gesundheitsökonom, der von 2010 bis 2022 Mitglied im Sachverständigenrat zur Entwicklung im Gesundheitswesen beim Bundesgesundheitsministerium war. „Ohne außerordentliche finanzielle Zuwendungen können das die Häuser nicht aufholen.“

Die Frage sei allerdings, ob man das überhaupt nachholen sollte, sagt Greiner. „Die Struktur derzeit ist eben nicht optimal.“ Um der Bevölkerung dennoch die Ängste zu nehmen, müsste sich die Kommunikation verbessern: „Als Krankenhausplaner würde ich die Priorität auf jene Standorte setzen, die wirklich unverzichtbar sind und sagen: ‚Die sichern wir auf jeden Fall‘.“ So allerdings sei alles etwas „Wild West“.

Im Deutschlandfunk hatte DRK-Präsidentin Hasselfeldt kritisiert, dass es in der Krankenhausreform keine ausreichende Übergangsregelung gegeben habe. Auch die Länder und die Unionsfraktion hatten in der Debatte um die Krankenhausreform immer wieder auf eine stärkere Brückenfinanzierung gepocht, scheiterten jedoch. „In früheren Zeiten wäre vermutlich eine Art Zwischenfinanzierung zur Verfügung gestellt worden“, sagt Greiner, „aber wo sollte da das Geld herkommen?“

Möglicherweise wird dies nach der Bundestagswahl am 23. Februar aber nochmal zum Thema: Wie das Ärzteblatt vorab berichtete, drängt der Wirtschaftsrat der CDU in einem Positionspapier darauf, die Krankenhausreform komplett zu überarbeiten.

Bis die Krankenhausplanung Ende 2026 abgeschlossen ist, kann andernfalls mit einer Entspannung für die Kliniken nicht gerechnet werden. „Es kostet Zeit“, meint Wolfgang Greiner. „Es geht nicht anders, wenn man Strukturen verändert.“

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4 Kommentare

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  • Wünsche dem schönschreibenden Autor, dass er mal in einer medizinischen Notlage auf dem Land 70 km mit dem SANKA ins nächstgelegene „spezialisierte Krankenhaus“transportiert werden muss. Wenn er es überlebt,würde er seinen Artkel anders abfassen. Man muss nicht alles schönreden, was von Herrn Lauterbach kommt, medizinischer Sachverstand sieht anders aus, es sei denn man lebt in der Blase Berlin(oder Köln).

    • @Fred Feuerstein:

      Das Problem ist aber, daß sich Lauterbachs Vorgänger von "Experten" haben einreden lassen, daß es um ganzzahlige Faktoren zu viel Kliniken gäbe und man sich die mithin unpopuläre Entscheidung, welche "weg könnten", mittels des Insolvenzrechts ersparen solle. Es müßten eben nur unauskömmliche Rahmenbedingungen gesetzt werden.

      Nun geht eine Klinik nicht von heute auf morgen Pleite. Daß sich niemand mehr an die damaligen Amtsinhaber erinnert, dürfte Teil der Perfidität dieser Pläne gewesen sein. Bei klinksterben.de kann man nachlesen - bis ins Jahr 2000 zurück.

      • @dtx:

        So wie es nicht zu viele Schulen in D gibt, gibt es nicht zu viele Krankenhäuser in der Fläche. Es ist klar,dass man Krankenhäuser in die Insolvenz treibt, wenn immer geringere Erlöse gezahlt werden, wenngleich personelle und sachliche Anforderungen und Tariflöhne ständig steigen. Unser Landkrankenhaus ( kommunaler Träger in Bayern) macht plötzlich den 10fachen „Verlust“ wie früher, obwohl sehr gut und breit aufgestellt. Das Land wird mit solchen Entscheidungen platt gemacht. Zentralisierung und Größenwahn führen mitnichten zu einer besseren medizinischen Versorgung, von der wohnortnahen Pflege ganz zu schweigen.

      • @dtx:

        Und was dazu kommt: Seit Jahren bleiben die Länder unisono den Kliniken die gesetzlich vorgeschriebenen Investitionsmittel schuldig. Und zwar in Größenordnungen. Man muß es schon als Krokodilstränen bezeichnen, wenn sich Landesgesundheitsminister über Entscheidungen der privater (oder auch kommunaler) Träger echauffieren.