Insekten ohne Schutz: Bienen müssen sich gedulden
Seit Winter wartet in Bremens Bürgerschaft ein Antrag für kleinteilige Insektenschutzmaßnahmen auf Befassung. Strittig sind sie nicht.
Nachdem das Thema daraufhin im März und Mai und jetzt auch im Juni jeweils auf der Bürgerschaftstagesordnung gestanden hatte, aber nicht debattiert wurde, bekommt es im Juli eine neue Chance. Es sei denn, es kommt wieder etwas dazwischen.
„Dat Ding hatte mir Sascha Aulepp ganz stolz schon im Januar geschickt!“, mokiert sich Sönke Hofmann, Geschäftsführer des Bremer Nabu-Landesverbandes, auf Nachfrage. „Ich dachte, die Anträge wären schon beschlossen?“
Ihm zufolge hat sich die Koalition entgegen ihrem Vertrag bislang „wahrlich nicht für den Insektenschutz mit Ruhm bekleckert“. Die Nichtbefassung mit dem Bienen-Erhebungs-Antrag sei da kein Einzelfall. Sinnlos agiere allzu oft auch ausgerechnet der Umweltbetrieb.
Bekloppte Rhododendren
Als Beispiel nennt Hofmann „die bekloppte Pflanzung von ausgerechnet Rhododendren im Oslebshauser Park, trotz Einspruch des Nabu“. Insekten bevorzugen heimische Gewächse, Rhododendren sind keine. Zwar greift hier das neue Exoten-Verbot des Bundesnaturschutzgesetzes nicht, weil ein Park nicht als freie Natur gilt. Aber in der Frage „sollte eine Kommune doch mit dem besten Beispiel vorangehen!“, so Hofmann.
Gut drei Viertel seiner Insekten hat Deutschland in den vergangenen 30 Jahren verloren. Weltweit sind die Werte ähnlich. Verheerende wirtschaftliche Auswirkungen werden dadurch erwartet – weil unbestäubte Obstpflanzen keine Früchte ausbilden. Zudem dürften ganze Ökosysteme kollabieren, weil die Krabbeltiere in der Nahrungspyramide ganz unten stehen: Bricht die unterste Etage zusammen, hält auch die Spitze nicht mehr.
Aber Insektenschutz ist mühselig. Gerade erst hat der Bundesrat darauf verzichtet, die von der Bundesregierung vorgelegte und vom Länderkammer-Gesundheitsausschuss empfohlene Fünfte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu verabschieden.
Die hätte zwecks Insektenschutz die Verwendung von Glyphosat und anderen chemischen Kerbtierkillern in Gebieten mit besonders sensiblen Arten und an Gewässern eingeschränkt. Der Schutz ist vertagt.
Bremen jedenfalls springt da nicht in die Bresche. Dabei gäbe es beste Bedingungen: Es regiert Rot-Grün-Rot; die Agrarindustrie hat hier keine nennenswerte Lobby; die Landwirtschaft – kein Stadtstaat ist bäuerlicher! – zeigt sich seit Langem eher naturschutz-kooperativ.
Trotzdem sei Bremen das letzte Bundesland, das noch keine Biodiversitäts-Strategie habe, bemängelt Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen. Auch die Bienenanträge könnten das nicht heilen. Aber sie könnten wenigstens positive Effekte auf dem Weg dorthin entfalten.
Sönke Hofmann, Nabu-Geschäftsführer
Bienenretten – oder erst mal -zählen – ist der wohl niedrigschwelligste Insektenschutz, den es gibt: Spätestens seit das Imkern zum neuen Trendhobby geworden ist, lassen sich mit dem populären Namen der Apiformes auch ein paar weniger bekannte und unbeliebtere Hautflügler mitprotegieren. In der strittigen Insektizidfrage geht der Antrag nicht über das hinaus, was Beschlusslage ist, und die angeregten Maßnahmen sind noch nicht mal finanziell eine harte Belastung.
Vorgesehen sind Trippelschritte: die Propagierung von Haltestellenbegrünung etwa, und eine bessere Planung von Blühstreifen. Hier hatte die CDU ergänzend noch Zuschüsse für Bauern gefordert, die Ackerfläche für Nektarpflanzen freihalten.
Und doch stagniert selbst dieser Minimalvorstoß: „Ich wäre ja auch froh, wenn er jetzt im Juli endlich beschlossen würde“, sagt Janina Brünjes, Umweltpolitikerin der SPD-Fraktion und Verfasserin des Antrags. Es sei halt wegen Corona nicht dazu gekommen.
Das ist problematisch. Denn wenn mit der Forderung „möglichst in Kooperation mit anderen Bundesländern statistische Daten zum Bienenbestand im Land Bremen zu erheben“ auch Arten jenseits der Honigbiene gemeint sein sollten, dürfte es dieses Jahr zu spät sein: „Wild-Bienen kann man nur im Sommer zählen“, erinnert Sönke Hofmann deutlich.
Der Kleine lebt hier nicht mehr
Auch Martin Rode vom BUND deutet die Verzögerung als Form der Missachtung: „Offensichtlich wird die Dringlichkeit nicht gesehen.“ Dass es auch in Bremen Insektensterben gebe, davon sei auszugehen, sagt Rode. Es falle möglicherweise weniger dramatisch aus als in Regionen mit extensiver Landwirtschaft. „Aber es findet statt, das beobachten wir auch im Bremer Raum, zum Beispiel an der Schmetterlingsfauna.“
Der Kleine Fuchs etwa ist rar geworden, andere sind ganz fort. Genaue Daten fehlen aber. „Wir wissen darüber nicht im Detail Bescheid“, so Rode. Insofern wäre eine Bestandserhebung nicht verkehrt.
Neben der Verschleppung des Bürgerschaftsantrags kritisiert Rode aber auch dessen Ausgestaltung: In der jetzt vorgesehenen Form gehe er selbst beim Zählen „am eigentlichen Problem vorbei“, er sei erkennbar nur auf Honigbienen gemünzt.
Tatsächlich regt der Antrag an, sich für die Erhebung der „Daten aus der bestehenden Meldepflicht von Bienenvölkern beim Veterinäramt“ zu bedienen. Die gilt nicht für Wildbienen. „Die Probleme der Bienenhaltung haben mit dem Insektensterben nur sehr wenig zu tun“, sagt Rode.
Janina Brünjes möchte trotzdem einfach mit etwas anfangen, wie sie sagt: „Mit Bienenvölkern zu beginnen, ist ja erst mal gut“, glaubt sie – auch wenn deren gestiegene Zahl am Ende wie eine Entwarnung gelesen werden könnte. Und wenn es im laufenden Kalenderjahr mit der Zählerei nicht losgeht, müsse man halt „wenn der Antrag im Juli hoffentlich beschlossen wird, im nächsten Jahr mit voller Power durchstarten.“
Dabei dürfte halbe Kraft reichen für den Antrag. Denn der einzig richtig brisante Punkt ist vorab entschärft. Zwar wird angeregt, brachliegende Gewerbeflächen insektenfreundlich auf dem Wege der Zwischennutzung aufzuwerten. Das könnte, richtig angegangen und mit sehr viel Glück dazu führen, dass sich wirklich Rote-Liste-Arten im potentiellen Gewerbegebiet ansiedeln.
Aber die würden gegen die Wirtschaft im Zweifel den Kürzeren ziehen, so der Plan: „Das darf nicht dazu führen, dass die vorgesehen Nutzung beeinträchtigt wird“, sagt Brünjes. „Das bleiben Gewerbeflächen.“ Das sei Konsens.
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