Innerdeutsche Fluglinien aus Lübeck: Willkommen, schlechtes Gewissen
Von Lübeck Blankensee starten ab Sommer neue Linienflüge nach München und Stuttgart. Das ist eine Katastrophe.
E igentlich müsste ich auf die großen Verkehrsflughäfen dieser Welt oder zumindest Deutschlands schimpfen: Laut Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft fertigen diese großen Flughäfen über 90 Prozent aller Passagiere ab und sie wachsen stetig. Es fällt daher leicht zu fragen: Was gibt der Regionalflughafen Lübeck da schon für einen Ausschlag? Nicht der Rede wert, meinen einige und freuen sich auf mehr Touris am Timmendorfer Strand.
Doch damit machen sie es sich zu leicht. Die Logik ist die gleiche, wie wenn ich täglich in meiner Mittagspause eine riesige Bratwurst esse und mein Gewissen mit dem Satz beruhige: „Ich bin eine von Unzähligen.“ Das war noch nie ein überzeugendes Argument, ist es in diesem Fall nicht und wird es nie sein. Der Satz offenbart nur ein feiges Verdrängen der eigenen gesellschaftlichen Verantwortung.
Mit dem Finger auf andere zu zeigen sei leicht, sagt die Sprecherin des Lübecker Flughafens. Ja, das ist es. Und wir brauchen noch mehr davon. Zeigen Sie alle bitte mit dem Finger auf die Politiker*innen, auf Nachbar*innen, auf mich und mein immerhin nur vegetarisches Mittagessen. Nur zu! Wir müssen uns gegenseitig stressen, damit mehr Bewegung in die Klimadebatte kommt. Willkommen, schlechtes Gewissen!
Das in Lübeck eingesetzte neue Flugzeug ist effizienter als Düsenjets, geschenkt. Aber es geht heute nicht mehr um Effizienz, sondern um absolute Reduktion, um Verzicht. Es geht um das, was noch on top zu unserem Schadstoffausstoß kommt – oder eben nicht. Und da ist nun mal jeder Flug einer zu viel. Dass der Marktanteil des Flughafens Blankensee winzig ist, ist klar. Aber sollte das Angebot gut angenommen werden, könnten ja auch weitere Linien folgen.
Es geht um Reduktion, um Verzicht – nicht um Effizienz
Neben dem bedingungslosen Verzicht geht es um Signale aus der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Solche, die auf Veränderungen hoffen lassen – und nicht solche, die noch mehr Menschen zu Kurztrips verführen und Klimaaktivist*innen in die Verzweiflung treiben. Die Pläne des Flughafenbetreibers haben beides komplett verfehlt: den Verzicht und die Symbolwirkung.
Klar kann niemand von einem Flughafenbetreiber erwarten, dass er auf Flüge verzichtet. Bei so einem Unternehmen gibt es, ähnlich wie bei Fleischkonzernen und Kohlekraftwerken, nichts zu beschönigen. Aber deswegen müssen diese auch vehemente Kritik aushalten. Und deswegen zeige ich mit dem Finger auf den Flughafenbetreiber und sage: „Ihre Entscheidung ist eine Katastrophe.“ Und ich bin damit nicht allein. Das ist das einzige, was mich an dieser Nachricht hoffen lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!