Innenstadt-Verbot für Demo: Für Fakten auf der Straße gesorgt
Die Demonstration für den Erhalt des Bauwagenplatzes Zomia am Samstag wird vorzeitig abgebrochen. Die Polizei erlässt kurzfristig ein Innenstadt-Verbot.
Der Marsch war flott und zügig, aber kurz: Nach nur etwas mehr als einem Kilometer endete die Demonstration gegen die angekündigte Räumung des Wilhelmsburger Bauwagenplatzes Zomia mit rund 2.000 Teilnehmern vor dem Gängeviertel. Polizisten stellten sich am Vatentinskamp der von einem Polizeispalier begleiteten Menge entgegen und verfügten eine Routenänderung herum um die City über die Lombardsbrücke zum Bezirksamt Mitte.
Die Demonstrationsleitung löste daraufhin den Protestmarsch frühzeitig auf. Dieser hatte unter dem Motto "Wir ziehen das jetzt durch - Zomia bleibt" gestanden. Sieben Demonstranten wurden in Gewahrsam genommen und ebenso viele Polizisten verletzt.
Der Bauwagendemo war nach dem Abpfiff des Zweitligaspiels zwischen dem FC St. Pauli und Greuther Fürth am Millerntorstadion gestartet. Begleitet wurden die Teilnehmer mit fast 20 Bauwägen - darunter ein Oldtimer-Wasserwerfer - von ebenso vielen Polizisten aus Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und der Bundespolizei.
Von Anfang an befand sich das Gros der Demonstranten - wenngleich zunächst mit Abstand - in einem Polizeispalier, das sich in der Nähe der Laeiszhalle mehr und mehr verengte - vor den Gerichten flogen vereinzelnd Böller und Flaschen.
Seit Dezember 2010 befindet sich die Zomia-Bauwagengruppe auf einer städtischen Brachfläche am Wilhelmsburger Ernst-August-Kanal.
Eine Räumungsverfügung bekam Zomia mit Wirkung ab dem 4. November, obwohl das Areal für einen Wagenplatz geeignet ist.
Abwarten will das Bezirksamt angeblich den gerichtlichen Widerspruch, der zur Entscheidung beim Verwaltungsgericht anhängig ist.
Ein unkonkretes Platzangebot liegt Zomia aus dem Bezirk Altona vor. Die Gruppe möchte aber lieber in Wilhelmsburg bleiben.
Räumen kann das Bezirksamt Mitte jederzeit.
Polizeiführer Hartmut Dudde bat danach die Demoleitung, das Tempo des Marsches zu drosseln, um den PKW-Verkehr rechtzeitig aus dem City-Bereich ableiten zu können. Tatsächlich aber zogen die Polizeieinheiten auf, um die Demo aus dem Innenstadt-Bereich herauszuhalten, obwohl die Polizei zuvor die Demoroute über den Jungfernstieg und Mönckebergstraße nicht beanstandet hatte. "Das ist ein klarer Fall für das Verwaltungsgericht", sagte noch vor Ort die Verwaltungsrechtlerin Ingrid Witte-Rhode.
Als die Demo für aufgelöst erklärt worden war, ging alles ganz fix. Über Lautsprecher wurden die Teilnehmer des "ehemaligen Demonstrationszuges" aufgefordert, die Straße zu verlassen, was wegen der Einkesselung vielfach unmöglich war. Um den Lautsprecherwagen gab es Rangeleien, wobei auch der Radioreporter des Freien Sender Kombinats, Werner Pomrehn, zu Boden gebracht wurde. Erst langsam verließen die Demonstrierenden den Platz.
"Die plötzliche Routen-Veränderung ist für mich nicht nachvollziehbar, es lief alles geordnet ab", schimpft die innenpolitische Sprecherin der GAL, Antje Möller. Ebenfalls entsetzt ist die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider: "Die Polizei hat das Versammlungsrecht mit Füßen getreten", sagt Schneider, "ich hoffe, dass es ein gerichtliches Nachspiel hat". Schneider und Möller wollen die Vorgänge zum Gegenstand einer Innenausschussitzung machen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen