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Inklusiver Polit-WesternMit Marx im Sattel

Mit extrem diverser Besetzung kommt Verena Brauns Comic-Fabel „Adams­town“ ins Kino. Ein inklusives Projekt über Heimat, Rassismus und das Kapital.

Satte Weiden irgendwo in der niedersächsischen Prärie Foto: Hybridfilm

Bremen taz | Keine 20 Sekunden braucht dieser Film, um einen aus der Reserve zu locken. Geschehen ist da noch zwar noch nichts, aber es wird mit dem ersten Bild unmissverständlich klar, dass hier in „Adamstown“ noch buchstäblich alles passieren kann.

Dieser Western ist ein inklusives Projekt, es gibt Akteur*innen mit und ohne Diagnosen – Laien wie Profis. Auch ein paar Geflüchtete sind mit von der Partie, wie etwa Rayan Farousi aus Syrien. Und der sitzt da nun als Pferd verkleidet in der ersten Szene in einer sichtlich niedersächsischen Prärie, hinter die jemand einen zerklüfteten Berg gemalt hat, und freut sich über das inspirierende Panorama. „Du bist ja auch ein Pferd“, mault der surreal-kinderkarnevalesk zum Igel geschminkte Fares Wadi. Das Pferd stimmt zu, aber „immerhin hat uns genau das zu diesem Job verholfen“. Dass der verkleidete Klepper dazu noch auf dem Rücken eines echten sitzt, macht das alles nur noch sonderbarer.

Und es bleibt kompliziert mit den Rollen und Identitäten. Als Tiere verkleidete Menschen unterschiedlichster Geschlechter, Hautfarben, künstlerischer Ausbildungen und Lebensgeschichten spielen eine Tierfabel, die ihrerseits auch inhaltlich von Rassismus erzählt – und davon, wie eine Gesellschaft, die das Andere ausgrenzt, letztlich auch ihrem eigenen Fortschritt im Weg steht.

Der Film „Adamstown“ basiert auf dem gleichnamigen Comic der Hamburgerin Verena Braun, bemerkenswert werkgetreu umgesetzt unter der Regie von Patrick Merz (Produktionsfirma Directors Cut) und Henning Wötzel-Herber (für das ABC Bildungs- und Tagungszentrum). Beteiligt haben sich außerdem die Hüller Medienwerkstatt und das Kwetu Film Institute aus Ruanda.

Ersticken am Rassismus

Die Rassismusfabel geht so: In Adamstown haben die Menschen das Sagen und Tiere keinen Zutritt. Das gilt jedenfalls für solche wilden und ungezähmten wie diesen Igel und das Pferd vom Anfang. Haus- und Nutztiere, die ja nicht mal richtig sprechen können, sind hingegen okay. Auch sonst wirkt das Dorf abgehängt und rückständisch. Während die diskriminierten Tiere hier jedenfalls nicht viel verpassen, droht das Drecksnest an seinem eigenen Rassismus zu ersticken, weil es zu allem Überfluss nun auch noch diesen Fluch gibt. Das nun wirklich nur noch ganz kurz: nach einer alten Legende der Kaui-Indianer können auf diesem Land nur Tiere neue Häuser bauen, wobei der Fluch enden soll, sobald wer eine Bank eröffnet.

Diese vielschichtige Melange aus Heimatfragen, Rassismus, Kapitalisierung und Aberglaube ist schon im Comic eine Herausforderung. Nachgespielt vom nun wirklich hochgradig diversen Cast wird daraus eine Achterbahnfahrt, zumal die PC- und Repräsentationsdebatten heute selbst das bürgerlichste Feuilleton auf Trab halten (wie das Cowgirl sagt).

Die Fragen brennen: Kann man Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft strukturell benachteiligt werden, nun ausgerechnet Tiere spielen lassen? Oder ist andererseits schon die Frage rassistisch, ableistisch oder am Ende beides? Tja. Es spricht sehr für diesen Film, sich den Schuh einfach nicht anzuziehen, sondern mit seinem verdrehten Plot nach vorn und in die Vollen zu galoppieren.

Noch vor allem möglicherweise heilsamen Unwohlsein ist der Film ein außerordentlicher, durchgeknallter Spaß. Allein dieser Wilde Westen kurz hinter Stade: mit seinen satten Weiden, weißen Fachwerken, grünen Türen und diesen mit Omas Plunder nostalgisch ausstaffierten Häusern. Gedreht wurde größtenteils im niedersächsischen Hüll nahe der Elbe. In „Adamstown“ ist selbst die Atmosphäre divers, was diverse Gesangseinlagen noch unterstreichen. Schon Verena Braun hatte ihren Comic multimedial mit Songs zum Download konzipiert.

Rücksichtslose Cyborgs

Allein die filmhandwerkliche Detailfreude versprüht einen anarchistischen Charme. Was auf der Bild- und Erzählebene einfach schön ist, knallt auch politisch. „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen“, heißt es unvermittelt im Film. Mit seinem Bonment aus der „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ eröffnet Karl Marx eine Reihe von im Film verstreuten Zitaten, die je auf sehr viel mehr verweisen.

Bert Brecht werden Sie erkennen und vielleicht auch Donna Haraways „Cyborg Manifesto“, das schon in den 1980ern zackig zu klären wusste: „Die Dichotomien von Geist und Körper, Tier und Mensch, Organismus und Maschine, öffentlich und privat, Natur und Kultur, Männer und Frauen, primitiv und zivilisiert sind seit Langem ideologisch ausgehöhlt.“

Adamstown Premieren

Sa, 11. 5., 19 Uhr, Kino Magazin, Fiefstücken 8a, Hamburg;

Di, 28. 5., 19 Uhr, Festhalle, Gartenstraße 12, Osten

Das wird dann mal so eingeworfen in eine ansonsten eher umgangssprachliche Westernnummer. Und genau da findet diese ganze Nummer vom besseren Miteinander gegen den alten Indianerfluch eben zu sich. Auch eine inklusiv, divers und zusammen errichtete Bank bleibt eine Bank. Und weil das auch der Film weiß, folgt auf die vorzeitliche Barbarei dann erst mal doch nur kapitalistische Ausbeutung. Besser heißt noch lange nicht gut, vielleicht steigert es auch nur die Chancen, nun zusammen zu kämpfen.

„Adamstown“ ist ein wunderbarer Film, aber auch ein Inklusionsprojekt, dem jeder pädagogische Mief abgeht, das Spaß macht – und für keine Sekunde auf die Idee kommt, mit „bitte, bitte“ um Rücksicht zu betteln. Reißt euch zusammen, arrangiert euch miteinander – sonst gehen wir alle zusammen vor die Hunde. Das ist keine schöne Botschaft – aber es stimmt.

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