Inklusion auf dem Spielplatz: Metin möchte mitspielen
Kinder zieht es raus auf die Spielplätze. Aber nur 20 Prozent der Plätze sind so gestaltet, dass Kinder mit Behinderung nicht nur zugucken können.
Damit Metin mit seinen Freunden auf dem Spielplatz spielen kann, bräuchte er einen barrierefreien Zugang zu den Geräten, wie zum Beispiel eine Rampe, die vom Weg über den Sand zu den Spielgeräten führt. Doch die gibt es oft nicht.
Das zeigt auch eine Studie der Aktion Mensch aus dem Jahr 2023, in der untersucht wurde, ob Spielplätze in Deutschland inklusive Bereiche haben. 1.000 Spielplätze in ganz Deutschland wurden begutachtet. Ergebnis: Rund 80 Prozent waren so gestaltet, dass Kinder mit Behinderung nur zugucken können.
„Zum Beispiel haben nur zwei Prozent der 1.000 Spielplätze einen befahrbaren Untergrund“, sagt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. Die Geräte stünden meist im Sand oder seien von Holzschnitzeln umgeben. Kinder mit motorischen Einschränkungen oder Kinder im Rollstuhl könnten diese nur schwer oder gar nicht erreichen. „Wir beobachten zwar, dass das Thema Inklusion auf Spielplätzen in den letzten Jahren mehr ins Bewusstsein rückt, aber in der konkreten Umsetzung wird leider immer noch viel zu wenig gemacht.“
Überarbeitete DIN-Norm für Spielplätze
Dabei gibt es seit 2020 eine neu überarbeitete DIN-Norm für Spielplätze. Darin wurde erstmals auch Inklusion und Barrierefreiheit aufgenommen, damit Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsame Räume zum Spielen haben. Die Stadt Düsseldorf hält sich nach eigenen Angaben auch an diese Norm: Alle neuen Spielplätze und anstehende Sanierungen bestehender Spielplätze würden unter dem Aspekt der Inklusion geplant und gebaut, heißt es von einem Stadtsprecher. 2025 seien zum Beispiel 17 neue Spielplätze geplant. Bis alle 430 Spielplätze saniert worden sind, kann es allerdings noch dauern.
Doch wie sollten inklusive Spielplätze aussehen? Laut Christina Marx bedeute Inklusion nicht, spezielle Spielgeräte extra für Kinder mit Behinderung zu integrieren. „Es geht um Geräte, die von allen Kindern genutzt werden können, die verschiedene Sinne und Bedürfnisse ansprechen.“ Das sieht auch Roland Koenig so – er arbeitet für die Firma Spielplatzgeräte Maier aus Altenmarkt an der Alz in Bayern und ist für die Planung inklusiver Spielgeräte zuständig.
„Wir versuchen, die Geräte so zu bauen, dass sie von möglichst vielen genutzt werden können“, erklärt Koenig. Dafür müsse man oft gar keine neuen Geräte konzipieren. „Durch taktisches Planen und Setzen kann man schon sehr viel erreichen. Zum Beispiel können wir einen Sandspieltisch mit verschiedenen Apparaturen so aufstellen, dass auf der einen Seite Sand ist und auf der anderen ein Weg, sodass Rollstühle dranfahren können.“ So können Kinder mit und ohne Behinderung gut miteinander spielen.
Natürlich gebe es immer Geräte, die nicht von allen genutzt werden könnten, sagt Koenig. „Wenn man jetzt eine hohe Kletteranlage hat, wird die nicht für alle Kinder erreichbar sein. Aber so ein Gerät braucht man auch, weil es eine Pflicht ist, alle Kinder zu animieren.“ Deshalb arbeite die Firma nach dem Leitsatz „Es muss nicht jeder alles können, aber es muss für jeden etwas dabei sein“.
Das sieht Christina Marx von der Aktion Mensch genauso. „Wir brauchen vielseitige Spielgeräte. Jedes Kind ist anders. Manche sind mutig und klettern beim Gerüst bis nach oben, andere spielen lieber weiter unten. Es muss also auf allen Ebenen etwas geben, das spielerische Abwechslung und auch Herausforderung bietet.“
Auf einem perfekten Spielplatz können alle Kinder spielen
Auch Metin wünscht sich so einen Spielplatz: „Der perfekte Spielplatz wäre für mich so, dass alle Kinder dort spielen können und dass man alle Kinder gleich behandelt. Es gibt ja zum Beispiel auch sehbehinderte Kinder, die können gar nicht auf den Spielplatz, weil es dort keine Noppen auf dem Boden gibt. Für sie könnte man doch einfach diese Noppen machen oder bunte Farben nutzen, denn Sehbehinderte können ja meistens ein bisschen sehen.“
Dass er selbst nicht viel auf den Spielplätzen in seiner Umgebung aktiv sein könne, mache ihn traurig: „Ich finde es sehr schade, dass ich oft einfach nur zugucken kann und nicht zu den Geräten komme, mit denen ich gerne spielen würde.“
Deshalb hat Metin sich ein anderes Hobby gesucht – er spielt mehrmals die Woche Tischtennis bei Borussia Düsseldorf. Dort trainieren Kinder mit und ohne Behinderung zusammen. „Tischtennis spielen macht mich sehr glücklich. Ich würde mich freuen, wenn mehr Kinder, die eingeschränkt sind, in Vereine gehen und Sport machen, wenn sie schon nicht auf Spielplätze gehen können. Das würde bestimmt viele so glücklich machen wie mich.“
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