Initiative gegen Überwachung: Der Spion in der Handtasche
Airtags sind praktisch, um Sachen wiederzufinden. Die Justizminister:innen der Länder wollen aber verhindern, dass man Menschen nachspioniert.
Dabei gibt es digitale Peilsender schon lange. So genannte GPS-Tracker wurden etwa benutzt, um Autos von Außendienstmitarbeitern zu orten. Doch sie konnten meist nur einige Tage genutzt werden. Und je länger die Laufzeit, desto größer und schwerer war die erforderliche Batterie. Ein GPS-Tracker konnte so bis zu 300 Gramm wiegen.
Ganz anders der Airtag. Er ist nur so groß wie eine Zwei-Euro-Münze und wiegt lediglich elf Gramm. Eine Knopfzellen-Batterie sichert eine Laufzeit von rund einem Jahr. Und das Ding ist auch halbwegs erschwinglich und kostet nur etwas mehr als 30 Euro. Allerdings funktioniert dieses Produkt nur in Verbindung mit einem Smartphone von Apple. Über die „Wo ist?“-App des iPhones kann der Nutzer sehen, wie weit der Airtag (und damit der Schlüssel oder das Portemonnaie) entfernt ist und in welche Richtung man suchen soll. Auch wenn der Airtag am Arbeitsplatz oder im Zug liegengeblieben ist, wird der Standort angezeigt.
Der Airtag ist so klein und leistungsstark, weil er sich nicht selbst mit dem GPS-Netz verbindet und daher keinen starken Sender braucht. Der Airtag verbindet sich über seine Ultrabreitbandsignale nur mit mobilen Apple-Geräten in der Nähe. Dies kann das eigene Mobiltelefon sein, aber auch das iPhone einer Spaziergänger:in, der die entlaufene Katze begegnet. Alle mobilen Apple-Geräte bilden so ein leistungsstarkes Finde-Netz.
Kontrolle einer Person via Airtag bisher nicht strafbar
Doch wie bei jeder effizienten Technologie gibt es auch Missbrauchsmöglichkeiten. So spionieren etwa Männer, die eine Trennung nicht akzeptieren, ihrer Ex-Partnerin mit Hilfe von untergeschobenen Airtags hinterher. Manchen genügt das Gefühl der Kontrolle, andere nutzen den Peilsender, um dem Opfer immer wieder an unerwarteten Orten aufzulauern.
Dabei ist das Orten einer anderen Person mit Hilfe eines Peilsenders bisher nicht einmal strafbar. Die Justizministerkonferenz (Jumiko) der Länder hat im November daher Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einstimmig aufgefordert, einen Regelungsvorschlag vorzulegen. Hier bestehe bisher eine Strafbarkeitslücke. Der Vorschlag kam von Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und Bayerns Justizminister Georg Eisenrauch (CSU).
Minister Buschmann zeigte sich auf taz-Nachfrage eher zurückhaltend. Es gebe bereits Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz, die „in der Praxis zu angemessenen Ergebnissen führen“. Die Norm, auf die Buschmann hinweist, hat jedoch viele Voraussetzungen, die alle umstritten sind. Die Länder gehen davon aus, dass sich daraus eher keine Strafbarkeit des heimlichen Trackings mit Peilsendern ergibt. Konkrete Gerichtsurteile kann auch Buschmann nicht nennen.
Überhaupt sind bisher kaum reine Airtag-Fälle bei den Strafgerichten bekannt geworden. Der Jumiko wurde nur ein Fall aus Bayern präsentiert. Hier hatte ein Mann im Auto der getrennt lebenden Ehefrau und in Jacken der bei ihr wohnenden Kinder Airtags platziert. Als ihr dies nach Wochen auffiel, zeigte sie ihren Ehemann an. Das Amtsgericht München stellte das Verfahren am Ende gegen Geldauflage ein.
Hamburg strebt gesetzliche Regelung an
Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina sieht trotz der noch fehlenden Fälle Handlungsbedarf. „Vorausschauende Kriminalpolitik wartet mit der Lösung eines Problems nicht, bis die Lösung überfällig ist.“ Apple reagierte inzwischen auch auf die Vorwürfe, dass seine Airtags für die heimliche überwachung anderer Menschen missbraucht werden. Dabei setzt das Unternehmen vor allem auf technische Lösungen. So könne man das iPhone nutzen, um fremde Airtags im eigenen Haushalt aufzuspüren. Auch für Android-Smartphones gibt es inzwischen eine entsprechende App.
Außerdem machen die Airtags Geräusche, wenn sie zu lange vom eigenen Besitzer getrennt sind. So können untergeschobene Airtags in einem fremden Haushalt ebenfalls auffallen. Allerdings lässt sich der Lautsprecher der Airtags auch relativ leicht zerstören, bevor man ihn zum Spionieren nutzt. In einer Stellungnahme von Apple hieß es ebenso deutlich wie hilflos: „Wir verurteilen jede bösartige Verwendung unserer Produkte auf das Schärfste.“
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