Initiative gegen Staatskirchenleistungen: Ein Verfassungsauftrag
Eine Gesetzesinitiative von FDP, Grüne und Linke fordert die Ablösung der Staatsleistungen für die Kirchen. Die schreibt die Verfassung vor.
V iele Aufträge unseres Grundgesetzes gelten für die Ewigkeit. Doch gleichzeitig gibt es Verfassungsaufträge, die mit einem einzelnen Beschluss erfüllt werden können. Die Ablösung der Staatsleistungen für die Kirchen gehört dazu. Diese Zahlungen entschädigen bis heute die Kirchen für die Enteignung ihrer Güter durch den Staat während der Säkularisierung. Dabei wurde schon 1919 in Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung formuliert: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“ Die Mütter und Väter des Grundgesetzes übernahmen das als Artikel 140.
Doch in den vergangenen 100 Jahren hat keine Mehrheit im Bundestag den Verfassungsauftrag ernsthaft angegangen. Bis heute überweisen die Bundesländer eine halbe Milliarde Euro jährlich an die großen Kirchen. Es wird Zeit, dass wir diesen Auftrag gegenüber den Bürger*innen erfüllen. Gemeinsam haben die Fraktionen von FDP, Linken und Grünen einen Gesetzentwurf erarbeitet, der die Grundsätze für Ablösungsverhandlungen zwischen Ländern und Kirchen aufstellt.
Er sieht vor, dass die Ablösungen sich am Äquivalenzprinzip orientieren und die bis zum Jahr 1919 entstandenen Ansprüche tilgen. Da eine Rekonstruktion der damaligen Werte nicht realisierbar ist, dienen die im Jahr 2020 geleisteten Staatsleistungen als Bemessungsgrundlage. Den Ländern und Kirchen eröffnen wir die Möglichkeit einzelne Ausnahmen von diesen Grundsätzen festzulegen. So ermöglichen wir faire Verhandlungen, die berechtigte Forderungen der Kirchen anerkennen und einen nachvollziehbaren Weg zur Ablösung der Staatskirchenleistungen definieren.
Wir fordern weder eine sofortige Abschaffung, die wegen der bestehenden Rechtsansprüche der Kirchen offenkundig verfassungswidrig wäre, noch wollen wir aus einer falsch verstandenen Freundlichkeit ihnen gegenüber die Verfassung weiter ignorieren. Das sollte auch die Große Koalition so sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge