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Inhaftierungen in SyrienSchwarz-Gelb schiebt weiter ab

Auswärtiges Amt und Innenministerium warnen, dass Syrien abgeschobene Asylbewerber inhaftiert. Grüne und Linke wollen einen Abschiebestopp, doch Schwarz-Gelb ziert sich.

Demo für ein wirkliches Bleiberecht, gesehen am 24.2.2007 in Berlin. Bild: rafff – Lizenz: CC-BY

Bremen taz | Drei Mal in Folge verschwanden Flüchtlinge direkt nach ihrer Abschiebung aus Deutschland in syrischen Gefängnissen – jetzt soll der Bundestag einen Abschiebestopp beschließen.

Übermorgen debattiert der Innenausschuss über einen Antrag der Grünen. Die fordern, ebenso wie die Linkspartei, das Rücknahmeabkommen mit dem Assad-Regime in Damaskus sofort auszusetzen. Geht es nach den Grünen, soll der Beschluss schon am Donnerstag in zweiter und dritter Lesung im Plenum besiegelt werden.

Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das Abkommen seinerzeit ausgehandelt, um über 7.000 Geduldete nach Syrien abschieben zu können. Im Sommer machten die ersten Ausländerbehörden Gebrauch von der Regelung – mit teils fatalen Folgen. Zwischen August und Oktober wurden ein junger Kurde, eine schwangere 25-jährige und eine 55-jährige Witwe mit vier Kindern nach ihrer Ankunft in Damaskus verhaftet.

Teils gab es wochenlang keine Informationen über ihren Verbleib. Syrien warf ihnen „Beschädigung des Ansehens Syriens im Ausland” vor – wohl wegen dem, was die Flüchtlinge in ihren abgelehnten Asylanträgen in Deutschland vorgebracht hatten.

Das Auswärtige Amt nennt die Menschenrechtslage unter dem syrischen Autokraten al-Assad „unbefriedigend”, es gebe „Folter, Misshandlung von Gefangenen und ,Verschwindenlassen'.” Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker wird „schon für kleine kritische Bemerkungen über das Regime systematische, grausame Folter” angewendet. Fünf Menschen starben nach Angaben von Amnesty International 2008 in syrischen Gefängnissen.

In einem „Ad Hoc-Lagebericht” bestätigt das Auswärtige Amt die Verhaftung der Abgeschobenen – und klagt darüber, dass die Syrer selbst deutsche Diplomaten auflaufen lassen: „In allen drei Fällen hat das Auswärtige Amt die syrischen Behörden um Auskunft gebeten, doch die syrische Seite hat nicht reagiert,” heißt es in dem Bericht. So blieb der Botschaft nur, „sich zu bemühen, den Sachverhalt durch zivilgesellschaftliche Kontakte aufzuklären.” Es sei „realistisch” zu erwarten, dass die Angeklagten für „Beschädigung des Ansehens Syriens” zwei bis drei Jahre ins Gefängnis kommen. Freisprüche jedenfalls seien nach solchen Anklagen bisher „nicht bekannt geworden,” schreibt das Amt.

Kurz vor Weihnachten sah sich das Innenministerium zum Handeln veranlasst. Am 22. Dezember bat es die Länder in einem Rundschreiben, vorerst nicht mehr nach Syrien abzuschieben, weil dies derzeit „problematisch” sei. Stattdessen sollten die Ausländerbehörden abgelehnte Asylbewerber auf die Möglichkeit hinweisen, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Das Bundesamt für Flucht und Migration wurde gebeten, Asylanträge aus Syrien zurückzustellen oder nicht als „offensichtlich unbegründet” abzulehnen.

Niedersachsen versuchte es trotzdem noch einmal: Am 5. Januar um fünf Uhr morgens wurde der 48-jährige Abdeloehab Hussein von Polizisten und Mitarbeitern der Ausländerbehörde des Landkreises Wesermarsch aus dem Bett geholt. Sie gaben dem Kurden, der seit 2001 dort lebt, 30 Minuten Zeit zu packen und sich von seiner Frau zu verabschieden. Dann fuhren sie den abgelehnten Asylbewerber zum Frankfurter Flughafen. Der niedersächsische Flüchtlingsrat schaltete einen Anwalt ein, der die Abschiebung mit knapper Not stoppen konnte.

„Es muss ein förmlicher Abschiebstopp her. Es kann nicht sein, dass jede Ausländerbehörde das Spiel soweit treiben kann, wie sie will,” sagt Bernd Mesovic von ProAsyl. „Der Skandal war, dass man mit einem Folterstaat wie Syrien überhaupt ein Abkommen geschlossen hat.” Das Regime sei „nicht vertragsfähig, die halten sich an nichts,” meint Mesovic.

Die Migrations-Referentin der grünen Bundestagsfraktion, Jutta Graf, geht noch weiter: „Ein bloßer Abschiebestopp wäre zu wenig,” sagt sie. Das nicht einmal Anfragen der deutschen Botschaft beantwortet werden sei ein klares Signal. „Das heißt: 'Haltet euch raus'. Solche Fälle kann es jederzeit wieder geben.” Das Bundesamt für Flucht und Migration müsse dies bei Asylverfahren berücksichtigen: „Syrische Asylbewerber die hier sind müssen anerkannt werden,” fordert Graf.

Ob der Grünen-Antrag am Mittwoch durchgeht, ist jedoch fraglich. Im Innenausschuss haben Union und FDP die Mehrheit, Vorsitzender ist der Münchner CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl. Aus seinem Büro heißt es, die Fraktion sei „noch bei der Sachverhaltsfindung”. Man räumt zwar ein, dass die Lage in Syrien „problematisch” sei. Dass dies zu einer Kündigung des Abkommens führe, sei aber „unwahrscheinlich”. Stattdessen sollten „Abschiebungen im Einzelfall geprüft werden.”

Viele hoffen, dass die FDP Druck auf ihren Koalitionspartner macht. Der Berichterstatter der Liberalen für den Innenausschuss, der Waiblinger Abgeordnete Hartfrid Wolff, hält die Lage in Syrien für „tatsächlich besonders besorgniserregend.” Dass sich manche Länder von den bisherigen Appellen nicht beeindrucken ließen, sieht er kritisch: „Das Innenministerium von Niedersachsen ist für seine fehlende Sensibilität in einigen Bereichen bekannt,” sagt er mit Blick auf den gescheiterten Abschiebeversuch von Anfang Januar.

Die Kündigung des Abkommens will Wolff deshalb auch „für die Zukunft nicht ausschließen.” Ein Abschiebstop sei aber „nur die Ultima Ratio.” Zuerst müsse man prüfen, ob „die individuelle Lösung im Moment nicht die Beste ist” – die Ausländerbehörden sollten „im Einzelfall konkrete Gefährdungen prüfen,” bevor sie jemanden abschieben, findet Wolff.

Für viele antirassistische Initiativen ist dies nicht akzeptabel. „Dass es noch immer keinen offiziellen Abschiebestopp gibt, belässt die Flüchtlinge in einem unerträglichen Zustand der Angst,” sagt Tobias Klaus vom bayrischen Flüchtlingsrat. Am Mittwoch will der Verband deshalb mit syrischen Flüchtlingen vor dem Reichstagsgebäude protestieren.

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4 Kommentare

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  • A
    aso

    Paradoxon?

    Grün/Links, für ihren Kulturrelativismus bekannt, „ziert sich“...

    Dabei gehört das routinemäßige verhaften von syrischen Staatsbürgern bei Einreise zu normalen typischen landesüblichen kulturellen Gepflogenheiten.

    Wer sich hier empört, macht sich stark des Kulturimerialismus verdächtig.

    Andere Länder, andere Sitten.

    Es findet ja auch wenig Empörung über die Christenverfolgung in Islamstaaten seitens Grün/Links statt.

    Vielleicht verfolgt Syrien eine Doppelstrategie...:

    Durch Verhaftung zurückgereister Asylbewerber, die im Prinzip im Lande unerwünscht sind, erhofft man sich, ihnen damit zukünftig bessere Asylchancen zu geben, um sie besser loszuwerden...

    Und was wäre die Alternative? Grenzen auf für Alle?...

  • R
    Ram

    In Syrien gibt es seit der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich ein Gebiet - al-Hasaka - das nach Lesart der Elite in Damaskus widerrechtlich von Kurden besiedelt worden sei. Deswegen verweigert Damaskus einem großen Teil dieser Kurden die Staatsgangehörigkeit. Und diese Menschen suchen natürlich nach einem Ausweg aus ihrer prekären Lage. Und das sind mehrere Tausend Menschen - die Deutschland und auch Frankreich natürlich nicht haben will.

     

    Ein Teil dieser Menschen lebt in Beirut ohne Papiere, teilweise mit Duldungen, teilweise aber auch ohne alles, ein Teil lebt in West-Berlin auch mit prekärem Status - seit Jahrzehnten.

    Anstattt Asad mal die Pistole auf die Brust zu setzen und ihn zu zwingen, seine Bevölkerung auch die Staatsbürgerrechte zu geben, macht Deutschland jetzt dabei mit, diese Menschen zurück in ihre Nicht-Heimat zu schicken.

    Menschen, die offenkundig die Nase voll haben von Syrien, dürfen sich nicht wundern, wenn sie dort Probleme bekommen. Das trifft besonders auf Kurden zu, denn denen unterstellt die Regierung sowieso mangelnde Loyalität. Und dass Damaskus keine Fortschritte bei Menschenrechten, Demokratie und Grundrechten macht, ist kein Geheimnis.

    Natürlich gibt es auch Regime-freundliche Kurden, die in Damaskus und Aleppo sehr gut in das Regime integriert sind. Nur: Das nützt den Tausenden Menschen nicht, die weder Papiere noch sonst einen Zugang zu einem gefestigten Status haben.

     

    Die deutsche Regierung kann eine ganze Menge Druck auf Asad ausüben. Aber: Es ist auch ein gutes Geschäft jede Abschiebung in den Libanon mit Geld zu managen. Die Syrer sind da natürlich netter, nur nicht zu den Abgeschobenen.

     

    Auf jeden Fall brauchen diese Menschen jetzt eine Perspektive - auch die in Deutschland schon lange lebenden.

  • A
    Amos

    Mir war schon von vornherein klar, dass Deutschland

    sich mit seiner "Gut-Mensch-Politik" eines Tages Feinde

    schafft-, nämlich dann wenn das Geld- knapp? wird. Milliardäre und Millionäre wollen natürlich nichts damit zu tun haben. Verständlich, die Migranten braucht

    man nur zum Löhnedrücken. Ein Katastrophen- Politik endet in der Katastrophe. Wenn man keine Feinde hat,

    macht man sich eben welche.

  • AH
    Andrea Hassan

    Ich bin jetzt seit den 1. Oktober 2009 mit meinen Mann verheiratet,der ein Kurde aus Syrien ist.Wir haben weiterhin immer noch Probleme,ihn bei mir anzumelden.Er muss jedebn Monat nach Passau reisen ,um sich eine Verlängerung für seine Duldung abzuholen.

    Dort sagt man Ihn ,das er keine Bezüge oder auch Lebensmittel bekommt,wenn er sich dort länger aufhalten muss und und hier in Braunschweig kann ich ihn nicht anmelden.Man verlangt von ihm auszureisen,um im Visumsverfahren wieder einzureisen.

    Da er aber bis zum heutigen Tag in der kurdische nPartei politisch tätig ist,kan ner auf keinen Fall mit so einen Status dort hin ausreisen,weil 100 % eine Festnahme am Flughafen in Damaskus erfolgen wird.Er kann hier sofort anfangen mit arbeiten,aber leider ist es in seiner Situation unmöglich.

    Wir haben auch einen Rechtsanwalt eingeschaltet,der jetzt eine Gegenklage gemacht hat,das wohl dan nvor dem Gericht in Regensburg verhandelt werden soll.

    Es ist eine phsychische Belastung für die ganze Familie,und ich finde es einfach skandalös wie man mit Mensche nso umgeben kann und sie in ihrer menschenwürde herabsetzen und erniedrigen.

    Da dies nicht nur ein Einzelfall derzeit ist,durch dieses Rücknahmeabkommen,bin ich auch voll dafür dass gegen dieses Abkommen entschieden wird.

     

    Ich schäme mich als Deutsche, was der Ex Minister fabriziert hat,einfach skandalös,gegen diese armen Menschen.

     

    Mit freundlichem Gruss Andrea Hassan