Inhaftierte türkische Autorin: Aslı Erdogan bleibt weiter in Haft
Ein Gericht ordnete am Mittwoch die Freilassung der Autorin an. Weil sie jedoch in einem weiteren Punkt angeklagt ist, muss sie im Gefängnis bleiben.
Zuvor hatte es geheißen, Erdoǧan sowie die 70-jährige Autorin und Übersetzerin Necmiye Alpay kämen bis zum Beginn ihres Prozesses auf freien Fuß. Den beiden nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei festgenommenen Frauen droht wegen angeblicher Terrorunterstützung lebenslange Haft.
Zudem sei die Anklageschrift gegen Erdoǧan angenommen worden, in der die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für die Autorin und acht weitere Angeklagte fordert. Ihnen allen wird unter anderem Mitgliedschaft und Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen.
Die Autorin Erdoǧan war im Rahmen einer Razzia gegen Unterstützer der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem Mitte August festgenommen worden, wenig später wurde Haftbefehl erlassen. Sie schrieb unter anderem Kolumnen für die inzwischen geschlossene Özgür Gündem.
Für Erdoǧans Freilassung hatten sich unter anderem deutsche Verleger und Schriftsteller eingesetzt. Bei einer Protestaktion in Istanbul hatte Mitte November der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, vor dem Frauengefängnis Bakirköy ein Banner zugunsten der 49-Jährigen entrollt. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) setzte sich für die Autorin ein.
Die Autorin, von Hause aus Physikerin, hat keine verwandtschaftlichen Verbindungen zu Staatspräsident Recep Tayyip Erdoǧan. Sie gehört zu den bekanntesten türkischen Autorinnen. Zu ihren in zahlreiche Sprachen übersetzten Romanen zählt „Die Stadt mit der roten Pelerine“ und „Der wundersame Mandarin“. Die Autorin leidet nach Angaben ihrer Unterstützer an Asthma und Diabetes. Sie saß bis Mittwoch 97 Tage im Gefängnis.
Der islamisch-konservativen Regierung in der Türkei wird vorgeworfen, ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Grundsätze gegen Regierungskritiker vorzugehen. Allein seit dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli wurden zehntausende vermeintliche Regierungsgegner festgenommen oder vom Dienst suspendiert. Zuletzt hatte eine Festnahmewelle gegen Journalisten der Oppositionszeitung Cumhuriyet und gegen führende Vertreter der linksliberalen prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) für Empörung gesorgt.
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