piwik no script img

Ingo Arzt über Deutschland und die GriechenlandKriseDie Macht der Zinspolitik

Die Phase, in der sich die Weltwirtschaftbefindet, ist der neue Normalzustand

Erst Immobilienkrise, dann Finanzkrise, jetzt die Eurokrise, in der nun ein drittes Hilfspaket zur Lösung der Griechenlandkrise auf den Weg gebracht wird. Und mittendrin Deutschland, das relaxt durch die Krise geht.

Schon die Rhetorik ist falsch. Welche Krise? Die Phase, in der sich die Weltwirtschaft befindet, ist der neue Normalzustand. Er führt zu einer globalen Ungerechtigkeit, die in ihrer Dimension noch kaum erfasst ist. Einer der Gewinner sind die Deutschen. Es ist eine neue Zinsungerechtigkeit.

Dazu hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) Folgendes ausgerechnet: Allein im Bundeshaushalt sparte Deutschland seit 2010 100 Milliarden Euro an Zinskosten. Das Land ist insgesamt mit rund 2,2 Billionen Euro verschuldet. Jeden Tag laufen alte Schuldentitel aus und werden durch neue bezahlt, zu niedrigeren Zinsen als die alten. Der Grund: Banken, Versicherer und Investoren wollen ihr Geld sicher anlegen. Also in deutschen Staatsanleihen. Wenn alle ihr Geld nach Deutschland schicken, sinken hier die Zinsen. Die Deutsche Bundesbank rechnete auf taz-Anfrage aus, dass sich der Effekt für den Gesamthaushalt sogar auf 140 Milliarden Euro Einsparung seit 2007 beläuft. Das ist weit mehr, als bei einem Totalausfall der griechischen Schulden für den deutschen Fiskus verlorenginge – rund 90 Milliarden.

Nun sagt das IWH: Deutschland profitiert von der Griechenlandkrise, was richtig, aber verkürzt ist. Deutschland ist ein Günstling des gesichtslosen Souveräns dieser Welt: „der Märkte“. Die Schulden von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen sind in den letzten Jahren explodiert. Was für Regierungen heißt: Nur wer niedrige Zinsen zahlt, hat Entscheidungsspielraum. Alle Macht geht von den Zinssätzen aus. Für Deutschland bedeutet das momentan Luxus. Der finanzielle Spielraum würde allerdings kleiner werden und verschwinden, stiegen die Zinsen. Das hieße: kürzen für den Schuldendienst. Siehe Südeuropa.Der Tag

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen