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Infrastruktur und Nachhaltigkeit269.600.000.000 Euro zu verteilen

Der Bundesverkehrswegeplan legt die künftigen Investitionen in Straßen, Schienen und Kanäle fest – und bevorzugt dabei den Asphalt.

Statt Autos auf der Straße vielleicht doch lieber Autos auf Gleisen – dann gäb's auch weniger Stau Foto: dpa

Berlin taz | Kennen Sie Deutschland? Im Süden die Berge, im Norden das Meer und dazwischen: Teer.

Damit das Gedicht von Marc-Uwe Kling auch wahr bleibt, gibt es den Bundesverkehrswegeplan, der am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossen wird. Darin bestimmt die Große Koalition die Grundlagen für Erhalt und Neubau von Straßen, Schienen und Kanälen für die nächsten 15 Jahre.

In dem Plan hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Investitionen von insgesamt 269,6 Milliarden Euro für die Infrastruktur veranschlagt, von der Ortsumgehung im baden-württembergischen Grimmelshofen bis zum Rhein-Ruhr-Express, der den Bahnverkehr in Nordrhein-Westfalen schneller machen soll. Erstmals finden sich darin auch Fahrradwege.

Der Bund werde sich „im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten noch stärker am Bau von Fahrradfernstraßen beteiligen“, heißt es in der Kabinettsvorlage, die der taz vorliegt. Die zu ändernden Grundlagen würden derzeit von der Bundesregierung geprüft.

Entgegen der Umweltschutzpläne

Als Grundlage für die Investitionen dienen die Prinzipien „Erhalt vor Neubau“ sowie „Engpassbeseitigung in hoch belasteten Korridoren“. Zu etwa gleichen Teilen sollen sie den geplanten Straßen- und Schienenprojekten zugutekommen. Offenbar konnte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nach einem lauten Einspruch Mitte Juli nun noch eine leichte Umverteilung erwirken, denn ursprünglich hatte Dobrindt den Neubau von Straßen bevorzugt.

Trotzdem sei der Bundesverkehrswegeplan eine „unbezahlbare Wünsch-dir-was-Liste“ geblieben, kritisierte Oliver Krischer, der für die Grünen im Verkehrsausschuss des Bundestags sitzt. Dobrindt ignoriere alles, was die Bundesregierung in Sachen Klima- und Umweltschutz beschlossen habe. „In Deutschland ist der Verkehrssektor für rund 20 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen verantwortlich“, so Krischer, „und gegenüber 1990 ist der Ausstoß an Emissionen sogar noch angestiegen“.

Eine unbezahlbare Wünsch-dir-was-­Liste

Oliver Krischer, die Grünen

Michael Ziesak, Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland, vermisst bei den Bundesfernstraßen eine „Gesamtnetzkonzeption und -strategie“. Viele Vorhaben würden parallel ausgebaut, teilweise unter der Annahme, dass die jeweiligen anderen Vorhaben nicht realisiert würden.

Straße vor Schiene

Andreas Geißler, verkehrspolitischer Referent der „Allianz pro Schiene“, kritisiert die „Ungleichbehandlung von Bahn und Schiene“. So heißt es im Plan lapidar, Projekte aus dem Bereich des Nahverkehrs würden nicht aufgenommen, „da diese Maßnahmen in die Zuständigkeit der Länder fallen“. Das beziehe sich allerdings nur auf die Bahn, denn die 500 erwähnten Ortsumgehungen hätten überwiegend ebenfalls nur eine regionale Bedeutung – aber eben auf der Straße.

Positiv wertet Geißler geplante Investitionen in den Schienen-Güterverkehr. So würde die Bahnstrecke zwischen Hof und Regensburg elektrifiziert und so als Teil des wichtigen „Ostkorridors“ für Güterzüge nutzbar.

Auf Grundlage des Bundesverkehrswegeplans werden nun konkrete Bedarfspläne erarbeitet, die Ende des Jahres vom Bundestag beschlossen und dann alle fünf Jahre überprüft werden. Darin wird festgelegt, was tatsächlich wann gebaut wird. Und trotz alledem wird ganz am Ende natürlich Marc-Uwe Kling recht behalten:

Aber gibt es noch mehr? Ja genau: Stau.

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5 Kommentare

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  • Wer sehenden Auges an Wochentagen über deutsche Autobahnen fährt und die durchgehende, fast lückenlose LKW-Wand auf der rechten, manchmal auch auf 2 Spuren, "genießt", erkennt sofort dringenden Handlungsbedarf - zumal das Verkehrsministerium bis 2030 eine Verkehrszunahme von deutlich mehr als 30% prognostiziert. Da kann man natürlich bejubeln, dass der BVWP jetzt auch etwas für die Schiene tun will - wenn man verdrängt, dass die Bahn ungehindert gerade dabei ist, hunderte Verladestationen samt Personal zu liquidieren.

     

    Natürlich kann man auf die Lage so reagieren wie Dobrindt (und sein nicht minder "kompetenter" Fan @THOMAS_BA_WÜ, sh. u.) und alle seine gleichermaßen befähigten Vorgänger: Autobahnen bauen/verbreitern auf Teufel komm raus. Nur ist - die Ökologie mal beiseite - abzusehen, dass alsbald die Zubau-Kapazität mit dem Bedarfszuwachs nicht mehr Schritt halten kann.

     

    In dieser Lage darf man von jemandem, der ein nicht ganz ärmliches Ministergehalt bezieht, erwarten, die Entwicklung eines zukunftsfähigen Gesamtkonzepts in Gang zu setzen. Muss Straßengüterverkehr, der per "Just-In-Time" der Industrie gewaltige Lagerhaltungskosten erspart, nicht radikal verteuert werden, um Bahn/Schiff wieder konkurrenzfähig zu machen? Darf der Transport z.B. bayerischer Milchprodukte in Supermärkte des Agrarlands Mecklenburg-Vorpommern rentabel sein? Brauchen wir wirklich Fernbusse, vom Steuerzahler subventioniert, gegen die die Bahn konkurrenzunfähig ist?

     

    Dies war nur ein kleiner Ausschnitt, Herr Dobrindt. Werden Sie mal tätig - oder räumen Sie den lukrativen Schreibtisch.

  • Danke Alexander.

    Für jeden dessen Bewegungsradius größer ist als eine U-Bahnlinie sind das gute Nachrichten.

    Und wenn Grüne und Umweltverbände kotzen ist das meistens das beste Zeichen das die Sache ganz vernünftig ist.

  • Klimaschutz schaffen wir also auch nicht. Vor wenigen Jahren noch ließ sich die Kanzlerin vor einem Eisberg ablichten. Alles nur Pose. Jetzt ist sie auch in Sachen Klimaschutz wieder abgetaucht. Mit ein paar Fahradwegen sucht man zu beschwichtigen. Es ist der allgemeinen politischen Demenz zuzuschreiben daß man/frau der Dame alles durchgehen läßt.

     

    Auch die vergleichsweise geringfügigen Investitionen in Bahnverkehrswege sind als Alibi zu werten. - http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.verkehr-experten-schienennetz-wird-weiter-vernachlaessigt.c143061c-a011-4c3c-8403-8b54f6f4fa82.html

     

    "Wenn wir uns diese Liste möglicher Streichungen anschauen, muss man sich schon fragen, ob das Bundeskanzleramt die Beschlüsse von Paris überhaupt verstanden hat. Es ist erschreckend, dass nicht einmal die Begriffe Dekarbonisierung und Treibhausgasneutralität im Klimaschutzplan genannt werden sollen - beide Ziele sind international Standard und klar in Paris vereinbart worden", erklärt NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Jutta Blume: "Deutschlands Abkehr vom Klimaschutz. http://www.heise.de/tp/artikel/49/49022/1.html

     

    Aber nichts hindert RedakteurInnen daran der unbedarften Dame nach wie vor scharenweise nachzulaufen.

  • Freie Fahrt für freie Bürger - Alles andere ist eh wurscht...

    • @amigo:

      Ganz genau. In der Politik kümmert man sich gewöhnlich um die Mehrheit. Die Mehrheit will Auto fahren und billigste Produkte kaufen. Transport mit dem LKW ist bei den Spottpreisen für Diesel eben am wirtschaftlichsten.

      Auch hier zeigt es sich wieder. Nur auf die Politiker schimpfen hilft wenig weiter. Die machen schon das was das Volk will. Und im Konsumverhalten zeigt sich statistisch sehr klar daß Klimaschutz nur bei den Wenigsten zur Priorität des täglichen Lebens gehört. Energie und Resourcen werden verschwendet wie nie zuvor, als wäre die Erde dreimal so groß. Ja, da gibt es auch ein paar Radfahrer. Diese sind leider nachwievor eine kleine Minderheit und werden so eben nur als Minderheit am Rande berücksichtigt.

      Wir haben eine freie Wirtschaft und freie Märkte. Diese leben und richten sich nach den Konsumenten. Wenn diese sich nicht ändert wird auch die Wirtschaft sich nicht ändern.

      Das macht das Ganze auch sehr kompliziert. Verzicht bedeutet bei den Meisten ja gleich der Weltuntergang.

      Dabei kann Verzicht sehr wohltuend sein. Man spart viel Geld und gewinnt Zeit für sich und andere Menschen.