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„Influencer-Team“ bei Steuerfahndung NRWStars sollen 300 Millionen Euro hinterzogen haben

Sie arbeiten in den sozialen Medien und zahlen dafür oft keine Steuern. Jetzt nimmt der Staat In­flu­en­ce­r*in­nen ins Visier. Der Schaden ist riesig.

Bisschen mehr als Kleingeld Foto: Monika Skolimowska/dpa

Düsseldorf dpa | In­flu­en­ce­r*in­nen sollen allein den Fiskus in Nordrhein-Westfalen um rund 300 Millionen Euro betrogen haben. Das bestätigte das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) auf Anfrage. Die Steu­er­fahn­de­r*in­nen analysieren nach eigenen Angaben aktuell ein Paket mehrerer Social-Media-Plattformen mit 6.000 Datensätzen, aus denen sich der mutmaßliche Millionen-Schaden ergibt. Nach dpa-Informationen sind auch andere Bundesländer betroffen.

„Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen“, hieß es von dem Landesamt, das seit Januar 2025 die gesamte nordrhein-westfälische Steuerfahndung mit rund 1.200 Ex­per­t*in­nen vereint. Es ist nach eigenen Angaben die erste Landesbehörde dieser Art in der Bundesrepublik. Innerhalb des LBF hatte man extra ein „Influencer-Team“ gebildet, um die Szene unter die Lupe zu nehmen.

„Die großen Fische im Visier“

„Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben“, so Behördenleiterin Stephanie Thien: „Das LBF NRW hat auch auf den sozialen Netzwerken die großen Fische im Visier.“

Thien betonte: „Es gibt bei den großen Social-Media-Profilen Akteurinnen und Akteure, die mit hoher krimineller Energie jegliche Steuerverpflichtung zu umgehen versuchen. Es ist keine Seltenheit, dass eine Influencerin oder ein Influencer pro Monat mehrere zehntausend Euro verdient, aber nicht einmal eine Steuernummer hat. Da geht es nicht um Überforderung mit plötzlichem Ruhm, sondern um immense Steuerhinterziehung mit Wissen und Willen.“

Die Ermittlungen seien aufwendig, so Thien: „Denn einen festen Arbeitsplatz gibt es nicht, oftmals melden sich die Content-Creators mit steigenden Umsätzen ins Ausland ab, um dem Finanzamt zu entgehen.“ So sei Dubai ein beliebtes Ziel.

Bei Werbung in sogenannten „Storys“, die nach 24 Stunden wieder verschwinden, sei die Beweisführung zudem schwierig. NRW habe aber „Ermittlungsmethoden initiiert, um Werbepartnerschaften und -einnahmen zurückverfolgen und beweissicher nachweisen zu können“, sagte Thien. Andere Länder hätten sich das zum Vorbild genommen.

Behörde führt bereits 200 Verfahren

Das LBF führt bereits rund 200 laufende Strafverfahren gegen in Nordrhein-Westfalen lebende In­flu­en­ce­r*in­nen – die Fälle aus dem aktuellen Datenpaket sind dabei noch nicht eingerechnet. Durchschnittlich geht es laut LBF um einen hohen fünfstelligen steuerlichen Fehlbetrag, in Einzelfällen auch um Fehlbeträge in Millionenhöhe.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sagte der dpa: „Steuerhinterziehung im großen Stil tritt überall dort auf, wo Geld in großem Stil gemacht wird. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, dass unsere Steuerfahndung ganz genau hinschaut.“

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6 Kommentare

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  • Wird ja auch Zeit. Gut so.

  • Gute Aktion, allerdings 2025 kommt das für meine Begriffe reichlich spät. Es ist ja bekannt, dass heutzutage reine Werbung nichts bringt, sobald eine scheinbare Privatperson ein Handy, ein Auto, ein IT-Programm oder eine neue Kaffeemaschine bespricht, hat das teilweise eine sehr große Wirkung auf den Absatz solcher Produkte. Und deswegen fehlt mir hier der Weg, bei den Agenturen und den Firmen zu schauen, was sie denn in die sozialen Medien pumpen.

  • Noch einfacher wäre es natürlich, wenn die Unternehmen endlich mal aufhören würden, diese Influencer zu engagieren. Es gibt ja mittlerweile keinen Bereich mehr, in dem nicht irgendwelche Influencer ihre Lobeshymnen verbreiten.

    Wollte kürzlich einen Rasenmäher kaufen und musste feststellen, dass es selbst dafür ein Dutzend Influencer gibt...

  • Absolut richtig, dass bei denen, die richtig viel verdienen und Steuern hinterziehen, genau hingeschaut wird.



    Auf der anderen Seite fragt man sich, wie es dann dazu kommen konnte, dass mit CUM-CUM Geschäften über 28 Mrd. € Steuern hinterzogen wurden und bisher weniger als eine Milliarde zurückgeholt wurde.



    Da hat man anscheinend jahrzehntelang nicht genau hingeschaut. Und gut dies immer noch nicht. Denn viel davon wird wohl nicht mehr zurückgeholt.

  • ... so Behördenleiterin Stephanie Thien: „Das LBF NRW hat auch auf den sozialen Netzwerken die großen Fische im Visier.“

    Thien betonte: „Es gibt bei den großen Social-Media-Profilen Akteurinnen und Akteure, die mit hoher krimineller Energie jegliche Steuerverpflichtung zu umgehen versuchen. ...



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    Ja, immer drauf!



    Doch dabei NICHT unsere Klassiker der Steuerkriminellen vergessen!

    Das jeder Steuerprüfer das 10-100 fache seiner Kosten einbringt ist auch eine Binse!

    Fazit: Darauf ein CUM auf EX!



    Brummt Sikasuu

    Ps. Der sich seit Dekaden auch in DE wirklich unabhängige Ermittlungsrichter & eine dito Finanzpolizei wünscht, wie in zivilisierten Ländern üblich! :-(

    • @Sikasuu:

      "Der sich seit Dekaden auch in DE wirklich unabhängige Ermittlungsrichter & eine dito Finanzpolizei wünscht, wie in zivilisierten Ländern üblich"



      ... stimmt. Und wieso denke ich plötzlich an die Zollfahnder Kressin und Hans Zaluskowski? Vor Dekaden schaute der gebührenzahlende ÖRR Bundesbürger noch interessiert zu, wenn im Krimi Wirtschaftsverbrecher verfolgt werden.