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Inflation 2023Verbraucher haben draufgezahlt

Die allgemeine Teuerungsrate betrug im vergangenen Jahr 5,9 Prozent. Ein Sozialverband fordert einen höheren Mindestlohn sowie Rentensteigerungen.

Die Sorgen von Millionen Menschen „mit kleinem Geldbeutel“ vergrößern sich Foto: Christin Klose/dpa

rankfurt/Wiesbaden/Berlin dpa/epd | Das Leben in Deutschland hat sich im abgelaufenen Jahr erneut deutlich verteuert. Zwar ist die allgemeine Teuerungsrate von den 8,7 Prozent zu Jahresbeginn 2023 wieder ein gutes Stück entfernt. Doch für Lebensmittel und Energie müssen Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor teils deutlich tiefer in die Tasche greifen als ein Jahr zuvor.

2023 lagen die Verbraucherpreise im Schnitt um 5,9 Prozent über dem Vorjahresniveau, wie das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten berechnet hat. Das war die zweithöchste Inflation in einem Gesamtjahr im wiedervereinigten Deutschland nach den 6,9 Prozent 2022.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert mit Blick auf die hohe Inflationsrate die Politik zum Handeln auf. „Die Verbraucherpreise sind noch weiter gestiegen, und die hohe Inflation seit 2022 bleibt somit ein Armutsrisiko“, sagte Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Sorgen von Millionen Menschen „mit kleinem Geldbeutel“ vergrößerten sich.

Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, ein geringes Einkommen oder eine kleine Rente haben, litten besonders unter den Preisentwicklungen des vergangenen Jahres, sagte Engelmeier. „Denn sie geben prozentual viel mehr ihres Budgets für Lebensmittel und Energie aus, bei denen die Inflation besonders hoch war.“

Preissprünge nach Russlands Angriff auf die Ukraine

Engelmeier erneuerte ihre Forderung von Ende Dezember, den Mindestlohn auf 15,02 Euro anzuheben. Zudem brauche es einen „dringend erforderlichen Inflationsausgleich für Rentnerinnen und Rentner“. Erst zum 1. Januar war der Mindestlohn um 41 Cent auf 12,41 Euro pro Stunde angehoben worden.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Anfang 2022 hatten sich vor allem Energie und Lebensmittel sprunghaft verteuert. Die Inflation schien nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Zuletzt schwächte sich die Inflationsrate fünf Monate in Folge ab.

Im Dezember zog die Inflation wieder auf 3,7 Prozent an. Der Grund: Ein Jahr zuvor hatte der Staat in dem Monat einmalig die Kosten für den Abschlag der Gas- und Fernwärmekunden übernommen. Dieser preisdämpfende Effekt entfällt in der Berechnung für Dezember 2023.

Mit Preisbremsen für Strom und Gas hat die Bundesregierung versucht, Folgen der gestiegenen Kosten für Verbraucher und Unternehmen abzufedern. Die Bremsen für Strom und Gas waren im März 2023 eingeführt worden und galten rückwirkend auch für Januar und Februar. Geplant war eine Verlängerung bis Ende März 2024, doch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November machte der Bundesregierung einen Strich durch die Rechnung: Die Preisbremsen liefen daher zum Jahresende 2023 aus.

Experten gehen eher von sinkender Inflation aus

„Inzwischen sind überall in Deutschland wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die zwar deutlich höher liegen als vor der Krise, aber meist unterhalb der Obergrenzen, die wir für die Preisbremsen gezogen haben, und ebenfalls spürbar unterhalb der Preise im vergangenen Herbst und Winter“, argumentierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende November. „Unsere Gasspeicher haben wir zudem so gut gefüllt, dass wir nicht mit plötzlichen Preissprüngen rechnen.“

Noch bis Ende 2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis zu 3000 Euro zusätzlich steuer- und sozialversicherungsfrei als sogenannte Inflationsausgleichsprämie auszahlen als Hilfe angesichts allgemein gestiegener Preise.

Volkswirte gehen davon aus, dass die Inflation sowohl in Deutschland als auch im Euroraum insgesamt tendenziell weiter sinken wird. Für Deutschland erwartet beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) für 2024 eine Teuerungsrate von durchschnittlich 2,6 Prozent. Das Ifo-Institut rechnet mit 2,2 Prozent im Durchschnitt dieses Jahres.

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4 Kommentare

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  • "...dass die Inflation sowohl in Deutschland als auch im Euroraum insgesamt tendenziell weiter sinken wird."



    Schön, wenn die Inflationsrate wieder sinkt.



    Das bringt aber den verlorenen Wert des Geldes nicht zurück, der ist unwiderruflich dahin.

  • Die Ansichten zur Entwicklung der Verbraucherpreise drücken zum erheblichen Teil auch die Problematik der Pisa-Studien aus. Mathematik scheint speziell in Kreisen mit höherem Bildungsgrad ein ernsthaftes Problem zu sein - oder ist es lediglich ein Problem mit dem Umgang mit Statistikdaten?

    Am besten dran sind da noch die Hausfrauen und Hausmänner und die Niedrigrentner aus den unteren Einkommensschichten. Diese Menschen wissen sehr zuverlässig, was sie sich vor einigen Jahren noch leisten konnten und von dem sie nunmehr nur noch träumen können.

    • @wxyz:

      Ein höherer Bildungsgrad geht meist mit erweiterten Mathematikkentnissen und einem höheren Einkommen einher.



      Das Problem der unteren Einkommensschichten ist, dass sie erstens kaum über Einkünfte aus Vermietung und Wertpapieren verfügen, jedoch für Mieten und Dividenden arbeiten müssen und zweitens ihr Einkommen gelegentlich langsamer steigt als die Preise.



      Es stimmt jedoch nicht, dass sie sich vor ein paar Jahren noch wesentlich mehr leisten konnten. Sie konnten sich damals wie heute nur wenig leisten, da ihre Einkommen auch vor 10 Jahren noch nicht hoch waren, ganz im Gegenteil. Wer jedoch will, dass sich das ändert, wird wohl an der Einkommens- und Vermögensverteilung etwas ändern müssen, aber das geht praktisch nur über Steuern. Die obersten 10% der Einkommens- und Vermögensverteilung würden entsprechende Maßnahmen als "Umverteilung" bezeichnen.

  • Wenn man nur die monatlich verkündeten Inflationsraten anschaut, wird man die Dynamik des Geschehens nicht wirklich verstehen.



    Entscheidend ist ein Blick auf den VPI (Verbraucherpreisindex), der in Deutschland zur Inflationsberechnung verwendet wird. Die Inflation ergibt sich als Quotient aus dem VPI des letzten Monats und dem des entsprechenden Vorjahresmonats. Im Dezember 2023 lag der VPI bei 117,4, im Dezember 2022 bei 113,2. Der Quotient ist also 117,4/113,2=1,0371. Die Preise sind von Dezember 2022 bis Dezember 2023 also um 3,71% gestiegen, nicht um 5,9%! Wer einen Durchschnitt aus den Inflationsraten der einzelnen Monate berechnet, wie das Statistische Bundesamt es wohl getan hat, wirft Nebelkerzen und erzeugt den falschen Eindruck, denn den Inflationsraten von 2023 stecken noch die entsprechenden Vorjahresmonate von 2022 in den Knochen.



    Tatsächlich hatten wir im Preisanstieg einen plötzlichen steilen Anstieg von Anfang 2021 bis ca. August 2023. Danach flachte der VPI wieder ab. Leider zieht die Inflationsrate nur mit großer Verzögerung von fast einem Jahr nach. Das liegt an der Berechnungsmethode, die auf einem Vergleich mit den Vorjahresmonaten beruht.



    In der EU wird für die Berechnung der Inflation übrigens nicht der VPI, sondern der HVPI (harmonisierter Verbraucherpreisindex) herangezogen. Dieser beruht im Prinzip auf einem anderen Warenkorb. Daher weichen VPI und HVPI in Deutschland voneinander ab, genau wie die zwei unterschiedlichen Inflationsraten, die das Statistische Bundesamt und Eurostat veröffentlichen.



    Bliebe der VPI übrigens auf dem aktuellen Wert stehen, d. h. stiegen die Preise ab sofort nicht weiter an, dann sänke die Inflationsrate im Februar 2024 unter 2,0%.