Industriespionage auf legalem Weg: Wozu Spitzel? Einfach alles kaufen
Verfassungsschutzchef Maaßen warnt vor Wirtschaftsspionage: China erwirbt in Deutschland sicherheitsrelevante Unternehmen.
Auf einer Tagung sagte Maaßen am Montag vor Verfassungsschützern, Industrievertretern und Journalisten, seine Behörde habe in den letzten Jahren nach den Gründen für vermeintlich rückläufige Spionagetätigkeiten Chinas in Deutschland geforscht. Einer der Gründe dafür sei offenbar, dass China sich inzwischen Industriegeheimnisse aus Deutschland auf formal legalem Wege sichere. „Man braucht keine Spione mehr innerhalb eines Unternehmens, wenn man das Unternehmen einfach aufkaufen kann“, sagte Maaßen. So würden industrie- und sicherheitspolitisch relevante Informationen „ausgeweidet“. „Wir beobachten das mit zunehmender Sorge“, so Maaßen.
Als Beispiel nannte der Verfassungsschutzchef den Aufkauf des deutschen Robotikunternehmens Kuka, das in Augsburg komplexe Robotiksysteme herstellt. Das Unternehmen war bereits an der Elektrifizierung der Deutschen Reichsbahn und später an zahlreichen deutschen Rüstungsprojekten beteiligt und 2016 von dem chinesischen Haushaltsgeräteherstellers Midea zu einem Preis von rund 4,6 Milliarden Euro gekauft worden. Der Konzern hält heute 95 Prozent an dem Unternehmen. Maaßen wies darauf hin, dass chinesische Unternehmen nach dortigem Recht eine Kooperationspflicht mit staatlichen Behörden hätten und diese sich so Zugriff auf deutsche und europäische Technologie verschaffen könnten.
Der Kauf hatte bereits damals für Aufsehen gesorgt, weil auch in Teilen der Bundesregierung ein industrie- und sicherheitspolitischer Wissenstransfer nach China befürchtet wurde. Auch andere Firmen, die etwa im Bereich der Industrie 4.0 tätig sind, waren in der Vergangenheit zu stolzen Summen an chinesische Unternehmen gegangen.
Dass Maaßen das Thema erneut auf die Tagesordnung setzt, hat politische Gründe. Bereits im letzten Jahr hatte er vor strategischen Aufkäufen durch chinesische Unternehmen gewarnt – ein Umstand, der in einer in Deutschland zelebrierten freien Marktwirtschaft an sich noch keine Besonderheit darstellt. Interessant wird die Kombination erst, wo Unternehmertum auf nationale Interessen trifft oder sich damit vermischt.
Hinter den Kulissen betreibt Deutschland daher – so wie alle anderen Staaten auch – eine industriepolitische Förderung mit strategischen Unternehmenskooperationen, um möglichst viel Kontrolle etwa über kritische Infrastrukturen und sicherheitsrelevante Wirtschaftsbereiche behalten zu können.
Strategische Partner deutscher Sicherheitsbehörden sind dabei zum Beispiel das ehemalige Staats- und heutige Privatunternehmen Telekom in Bonn. Die Telekom kooperiert etwa mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesinnenministerium. 2006 hatte ein russischer Mischkonzern den Anlauf gemacht, die Telekom mehrheitlich aufzukaufen. Damals schob aber die Bundesregierung einen Riegel vor – aus nationalen Interessen und Erwägungen. Heute ist die Telekom einer der wichtigsten Partner der Bundesregierung, auch um die Netze von Parlamenten und Regierungsbehörden in deutscher Hand zu wissen.
Ein weiterer wichtiger Partner für deutsche Sicherheitsbehörden ist das Münchner Technikunternehmen Rohde & Schwarz, das als eines der weltweit bedeutenden Unternehmen für Funktechnik und damit auch Überwachungstechnik gilt.
Deutsche Kooperationen
Das Unternehmen produziert beispielsweise sogenannte Imsi-Catcher, mit denen sich Telefonate überwachen lassen, ohne dass der Einsatz des Überwachungsgeräts für irgendwen erkennbar ist. Allein die Existenz der neuen Technologien soll möglichst verschwiegen werden, umso mehr die technologischen Details. Für deutsche Sicherheitsbehörden ist es daher von Bedeutung, Kontrolle über derlei Technologie und ihre Verwendung zu behalten.
Dahinter steckt die Frage, wie und durch welche Mittel Technologie sich noch nationalisieren lässt. Was Maaßen indirekt sagt, ist: Alle anderen tun es – nur Deutschland steht schlecht da. Das ist auch eine Botschaft an das Bundeswirtschaftsministerium, das Direktinvestitionen aus dem Ausland in bestimmten Fällen einen Riegel vorschieben könnte.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, war zuvor als Kanzleramtschef auch für die Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes zuständig.
Ein Projekt, das all diese Fragen berührt, sind die Überlegungen Deutschlands und Frankreichs, einen gemeinsamen militärischen Kampfflieger zu entwickeln. Das gilt zwar als ein politisches Hochrisikoprojekt und würde über Jahre etliche Milliarden Steuergelder schlucken – wäre aber eine staatliche Strukturinvestition in zahlreiche sicherheitsrelevante Bereiche und Firmen in Deutschland und Frankreich.
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