Indische Filme als Kassenschlager: Die Bollywood-Euphorie ist zurück
Indische Filme lockten vor der Pandemie Millionen ins Kino. Mit dem neuen Film von Star Shah Rukh Khan ist die Begeisterung abermals entfacht worden.
R und um ein Kino, nicht weit vom Mumbaier Haus des indischen Filmstars Shah Rukh Khan, hat sich eine Menschentraube gebildet. Es sind junge Fans, die ungebremst ihre Freude ausdrücken. Videos und Fotos nicht nur aus der Filmstadt Mumbai, sondern aus ganz Indien tauchen auf, in denen Fans Khan und seinen neuen Film „Pathaan“ bejubeln. Spätestens wenn sein Gesicht nach einer langen Actionszene endlich richtig auf der Kinoleinwand zu sehen ist, setzt das Kreischen ein – auch in einem schicken Multiplex im Geschäftsviertel BKC, in dem das Kinoticket umgerechnet 9,50 Euro kostet.
Shah Rukh Khan, kurz SRK, gehört wie kaum ein anderer Prominenter zu Mumbai. Sein Haus, genannt Mannat, ist ein bekannter Pilgerort. SRK begrüßte seine Fans vom Balkon am Wochenende vorm Filmstart, am Vorabend von Indiens Tag der Republik (26. Januar). Das macht er auch an seinem Geburtstag. „Freunde von mir waren dort“, erzählt Tara Singh schmunzelnd, die den ersten SRK-Film nach vier Jahren Pause gleich in den ersten Tagen im Kino gesehen hat.
„Nach der Pandemie hatte ich Lust auf einen lustigen Blockbuster. Songs, Stunts und den Glamour habe ich in vollen Zügen genossen“, schwärmt Singh über den Agenten-Actionfilm, in dem der Antiheld Pathaan Indien vor einer großen Katastrophe bewahrt. „Uns wird normalerweise vermittelt, dass Helden nett und Bösewichte arrogant sind. In dem Sinne spiegelt SRK unseren unterdrückten Trotz wider“, meint Singh, die Khan für seine Unterhaltungsfilme schätzt, auch wenn diesmal das Thema ernster ist.
Sushant Ingle, Straßentheaterschauspieler, möchte den neuen Khan-Film ebenfalls sehen: „Nicht unbedingt zur Unterhaltung, viel mehr als Protest gegen Boykottaufrufe“, sagt der 32-Jährige. Im Vorfeld wurden wieder einmal Boykottaufrufe gegen Bollywood laut. Unter anderem, weil die hochdotierte Schauspielerin Deepika Padukone in einem Song einen safranfarbenen Bikini trägt. Rechte Hindu-Gruppen behaupteten, der Song fördere Obszönität und die Farbe Safran, die ihnen heilig ist, werde nicht respektiert. Eine muslimische Organisation erhob parallel Einwände gegen das Lied.
22 Millionen Euro im Ticketverkauf innerhalb zwei Tagen
Vielleicht gefällt es so manchen auch nicht, dass ein „Pathan“, also ein Muslim, zum Beschützer Indiens stilisiert wird. Der Unmut ging jedenfalls so weit, dass Abbildungen und Poster von Khan verbrannt wurden. Selbst Premier Narendra Modi (BJP) schaltete sich kürzlich ein und forderte seine Parteimitarbeitenden auf, keine unnötigen Bemerkungen zum Film zu machen.
Schauspieler Ingle hält wenig von religiös motivierten Verboten und glaubt, dass diese Versuche zudem nicht erfolgreich werden. Die bisher verkauften Kinotickets, für weltweit über 2 Milliarden indische Rupien (umgerechnet circa 22 Millionen Euro) innerhalb von zwei Tagen, sprechen ebenfalls dagegen. Kino und Fernsehen hätten in Indien geholfen, Propaganda zu politischen und sozialen Themen zu verbreiten. Doch „Pathaan“ sei eine Ohrfeige für jene, die versuchen, gegen Muslime zu polarisieren. „SRK ist ein Selfmademan. Die Menschen lieben ihn rund um den Globus“, sagt Ingle.
„Nichts kann ein Volk und eine Nation so vereinen wie das Kino. Nichts anderes kann so viel Glück und Liebe verbreiten“, twittert der Mumbaier Filmdirektor Kushan Nandy dankend an Shah Rukh Khan. Seit der Pandemie hat kein Film in Indien wieder so viele Menschen ins Kino gelockt.
Lange wird es nicht mehr dauern, bis auch die Radiosender die Hits aus dem Film rauf und runter spielen. Der kontroverse Bikini-Song aus dem Film klickte bereits über 246 Millionen Mal, fast viermal so viel wie der offizielle Trailer. Damit hat Khan einmal mehr gezeigt, warum er einer der erfolgreichsten indischen Schauspieler ist und sich über die Jahre dieses Image bewahren konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?