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Indigene Generalgouverneurin in KanadaInuktitut im höchsten Staatsamt

Mary Simon wird als erste Inuk zur Vertreterin der kanadischen Monarchie ernannt. Sie will die Bevölkerungsgruppen des Landes versöhnen.

Mary Simon: neu ernannte Vertreterin ihrer Majestät in Kanada Foto: Patrick Doyle/reuters

Vancouver taz | Ihre ersten Sätze als neu ernannte Vertreterin ihrer Majestät wählte Mary Simon ganz bewusst. In ihrer Muttersprache Inuktitut dankte sie Königin Elizabeth II und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau für ihr Vertrauen: Sie fühle sich geehrt, demütig und bereit, das höchste Staatsamt auf kanadischem Boden auszuüben – als erste Ureinwohnerin des Landes.

Nicht wenige Zuhörer, die am Dienstag anlässlich ihrer Ernennung in das Museum für kanadische Geschichte unweit von Ottawa gekommen waren, blickten sich verdutzt an. Derartige Klänge hatte es bei vergleichbaren Anlässen in der 154-jährigen Geschichte Kanadas noch nie geben. Auch Simons indigener Geburtsname Ningiukadluk dürfte noch für so manchen Zungenbrecher sorgen.

Für Kanada war es ein historischer Tag in schwieriger Zeit: Als erste Inuk und erste Vertreterin der indigenen Minderheiten wird die 73-Jährige auf Vorschlag Trudeaus die neue Repräsentantin der Queen in Kanada – zu einer Zeit, in der es um das Verhältnis des Landes zu seinen indigenen Bewohnern nicht zum Besten steht. Dies sei „ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg zur Versöhnung“, so sieht sie es selbst.

Tatsächlich befindet sich ihr Land in einer Identitätskrise und steht weltweit in den Schlagzeilen, seitdem an mehreren ehemaligen Internaten hunderte anonymer Gräber indigener Kinder gefunden wurden. Kanada müsse sich mit diesen „Gräueltaten“ auseinandersetzen und sie in Erinnerung behalten, mahnte Simon. Als Brückenbauerin zwischen den Bevölkerungsgruppen wolle sie den Versöhnungsprozess begleiten und unterstützen.

Jugend in der Tundra

Dafür ist Simon geeignet wie vielleicht nur wenige Kanadier. Als Tochter eines weißen Pelzhändlers und einer indigenen Mutter aus dem subarktischen Norden Québecs lebte sie beide Kulturen. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie beim traditionellen Jagen, Fischen und Campen in der Tundra, danach zog sie zur Ausbildung in den Süden und machte schnell Karriere. Englisch und Inuktitut spricht sie fließend.

Als gelernte Journalistin moderierte Simon im Fernsehen eine der wichtigsten Nachrichtensendungen des Landes auf Inuktitut. Später wurde sie Lobbyistin beim größten Dachverband der kanadischen Inuit und setzte sie sich dort für die rund 65.000 Angehörigen ihrer Volksgruppe ein. Themen wie Klimawandel, Umweltschutz oder Menschenrechte gehen ihr bis heute nahe.

Auch auf dem internationalem Parkett warb sie für die Interessen der Inuit. Simon arbeitete für den Weltverband der arktischen Völker und wirkte im Auftrag Kanadas bei der Gründung des Arktischen Rates mit, in dem acht Nationen über die Zukunft der Polarregionen beraten. Zwischen 1996 und 1998 war sie die Gründungsvorsitzende des Rates, später wurde sie kanadische Botschafterin in Dänemark.

Ihr diplomatisches Geschick wird sie auch in Zukunft benötigen. Denn nicht alle Ureinwohner Kanadas sehen ihre Ernennung nur positiv. Als oberste Vertreterin der konstitutionellen Monarchie in Kanada vertritt Simon ab jetzt ein Regierungssystem, das viele ihrer bisherigen Verbündeten als kolonial beschimpfen und für die Misere und Armut vieler indigener Gruppen verantwortlich machen.

Als Generalgouverneurin hat Simon nicht die politische Macht, daran viel zu ändern. Ähnlich wie ein Bundespräsident kann sie als moralische Instanz aber auf die Macht ihrer Worte zurückgreifen. Ein kleines Handicap muss sie dabei noch überwinden: Simon spricht kaum Französisch, die zweite offizielle Landessprache Kanadas. Die will sie jetzt noch erlernen – damit die Mission Brückenbau auch gelingt.

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