Indiens Polizei hat ein Gewaltproblem: Rund 600 Tote in sechs Jahren
Regelmäßig foltern indische Polizisten Festgenommene. Selbst Tote gibt es immer wieder. Eine neue Studie zeigt, dass eine Strafverfolgung oft am Korpsgeist scheitert.
„Unsere Ergebnisse zeigen zu häufig, dass die Polizisten, die Todesfälle in Polizeigewahrsam untersuchen, sich mehr darum kümmern, ihre Kollegen zu schützen, als die Fälle aufzuklären“, sagte die Südasien-Chefin der Organisation, Meenakshi Ganguly. „Die indische Polizei wird nur dann lernen, dass es nicht akzeptabel ist, Verdächtige mit Schlägen zu Geständnissen zu zwingen, wenn die Täter wegen Folter belangt werden.“ Zu den häufigsten Foltermethoden gehörten Schläge mit Gürteln, Stiefeltritte und mitunter auch das Aufhängen an der Decke an den Handgelenken.
Auch Vergewaltigungen und das sogenannte Waterboarding, bei dem der Festgenommene zu Ersticken glaubt, sollen zu den Verhörmethoden zählen. Indien hat um die 450.000 Gefangene, doch die Kapazitäten der Gefängnisse sind unzureichend.
Die Haftanstalten sind notorisch überfüllt und die Zustände dort verheerend. Das Justizsystem ist zudem hoffnungslos überlastet: Manche Gefangene verbringen Jahre in Untersuchungshaft, während ihr Fall untersucht wird. Frustriert mit dem langsame Tempo der Justiz nimmt der Polizei das Recht teils selbst in die Hand.
Polizei folgt nicht den vorgeschriebenen Verfahren
Das indische Gesetz schreibt eigentlich vor, dass Festgenommene innerhalb von 24 Stunden medizinisch untersucht und einem Amtsrichter vorgeführt werden müssen, um Folter und Misshandlungen zu verhindern. Doch laut den offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2015 geschah dies nur in 30 von 97 Todesfällen in Polizeigewahrsam. Die Polizisten leisteten der Anordnung oft zu spät Folge. Es gab auch Fälle, in denen die Festgenommenen vorher starben.
Die HRW-Studie widmet sich besonders ausführlich 17 der Todesfälle von 2010 bis 2015, wofür die Wissenschaftler mehr als 70 Interviews mit Familienangehörigen, Zeugen, Rechtsexperten und Polizisten führten. „In allen diesen Fällen folgte die Polizei nicht den vorgeschriebenen Verfahren und machte die Betroffenen so verletzlicher für Missbrauch“, heißt es in der Auswertung.
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