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Indiens Bundesstaat AssamPlötzlich zwei Millionen Staatenlose

Die Regierung in Indiens nordöstlichen Bundesstaat Assam schließt auf einen Schlag 1,9 Millionen Einwohner von der Staatsbürgerschaft aus.

Bürger in Rupohi (Assam) prüfen, ob sie noch indische Staatsbürger sind Foto: Reuters

Dubai/Neu-Delhi epd | Indien hat fast zwei Millionen Menschen für praktisch staatenlos erklärt: Die Regierung im nordöstlichen Bundesstaat Assam veröffentlichte am Samstag ein neues Staatsbürgerregister mit 31,1 Millionen Namen, wie indische Medien berichteten.

Die 1,9 Millionen Einwohner des Bundesstaates, deren Namen nicht in der neuen Liste verzeichnet sind, haben damit praktisch keine Staatsbürgerschaft mehr. Sie haben nun 120 Tage Zeit, gegen die Entscheidung Einspruch einzulegen. Indien hat in den vergangenen Tagen zusätzliche Sicherheitskräfte in Assam stationiert, weil es Proteste erwartet.

Die indische Regierung argumentiert, die neue Liste diene dazu, „illegale Einwanderer“ aus dem mehrheitlich muslimischen Nachbarland Bangladesch zu identifizieren und zurückzuschicken. Assam teilt mit Bangladesch eine rund 260 Kilometer lange Grenze, die an vielen Stellen nicht bewacht ist. Um als Staatsbürger zu gelten, mussten die Einwohner von Assam beweisen, dass sie oder ihre Familien bereits vor der Gründung von Bangladesch 1971 in Assam gelebt haben.

Assam hat nach Kaschmir den zweithöchsten Anteil von Muslimen in Indien. Gut 34 Prozent der Einwohner Assams sind muslimisch, 62 Prozent sind Hindus. Kritiker sehen in dem Vorstoß der indischen Regierung den Versuch, die religiösen Minderheiten in dem mehrheitlich hinduistischen Land zu schwächen. Innenminister Amit Shah fordert seit längerem, eine Staatsbürgerschaftsregister wie in Assam für ganz Indien zu erstellen.

Das alte Staatsbürgerschaftsregister von Assam stammt aus dem Jahr 1951. 2015 begann die indische Regierung mit einer Aktualisierung. Zudem wurden Abschiebelager gebaut, in denen sich bislang knapp 1.000 Menschen befinden. Bangladesch war bis 1971 ein Teil von Pakistan. In dem zehn Monate währenden Unabhängigkeitskriegs flohen rund zehn Millionen Menschen nach Indien.

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5 Kommentare

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  • Hinduismus ist mir ebenso suspekt wie Islamismus. Schön bunt die Feste, die Gesellschaftsordnung aber alles andere als erstrebenswert. Das Kastenwesen ist eine der schlimmsten Erfindungen der Menschheit.

    • @sachmah:

      Sie werfen ernsthaft den Hinduismus, den man aufgrund seiner enormen Vielfalt nicht vereinheitlichen kann, ernsthaft mit dem Islamismus, einer dem islamischen Fundamentalismus zugrunde liegenden Ideologie, in einem Topf?



      Oder setzen sie den islamischen Glauben mit dem Islamismus gleich?

  • Schwerer staatspolitischer Fehler, der schon einmal zu einem jahrzentelangen Bürgerkrieg in Sri Lanka geführt hat. Die Engländer holten südindische Tamilien für die Arbeitauf den Teeplantagen von Indien ins damalige Ceylon. Da die Arbeiter nun nicht mehr in Indien lebten, verloren sie die indische Staatsbürgerschaft. Ceylon wiederum betrachtete die Tamilien als Fremde, die nicht eingebürgert wurden. Ergebnis: Abertausende Staatenlose, Bürgerkrieg. Von wegen Geschichte wiederholt sich nicht. Andauernd tut sie es.

    • @Thomas Schöffel:

      Ihr Vergleich ist nicht ganz korrekt; Auf Sri Lanka werden sri lankische und indische Tamilen unterschieden. Die indischen Tamilen leben vor allem in der Zentralprovinz und kamen ursprünglich als Plantagenarbeiter ins Land. Sie sri lankischen Tamilen haben ähnlich lang zurückreichende Wurzeln auf der Insel wie die Singhalesen. Der ethnische Konflikt wurde vor allem zwischen srilankichen Tamilen und Singhalesen ausgetragen. Die Indischen gerieten zwar öfters ins Kreuzfeuer, hatten mit den Bürgerkrieg an sich nichts am Hut und wurden zum Großteil letztendlich auch eingebürgert.

      • @Tiberius Ludwig:

        Vielen Dank für die Korrektur.