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"Indiana Jones"-Premiere in CannesMit einer Explosion beginnen

Cristina Nord
Kommentar von Cristina Nord

Die Journalisten mit der weißen Akkreditierung dürfen mit dem Fürsten am Tisch sitzen, die anderen nur mit dem Grafen. Blöd. Am roten Teppich ist aber für alle was los.

Darf rein: Cate Blanchett bei der Premiere von "Indiana Jones". : ap

C ANNES taz Über "Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull" kann ich wenig sagen. Steven Spielbergs Blockbuster startet am Donnerstag weltweit in den Kinos. Am Sonntagabend feierte er Weltpremiere in Cannes. Die Pressevorführung am Sonntagmittag konnte ich nicht besuchen, weil der Hüter der Einlasspforte weder mich noch etwa 30 weitere Journalisten passieren ließ. Nur die mit der besten, der weißen Akkreditierung durften kurz vor Filmbeginn in den Saal. Sie nehmen in diesem auf Standesunterschiede so versessenen Festival die Rolle ein, die bei Proust das gehobene Bürgertum spielt: wichtig genug, um mit dem Grafen am Tisch zu sitzen, nicht aber mit dem Fürsten. Abends auf dem roten Teppich trug Cate Blanchett - sie spielt Harrison Fords Antagonistin - ein graues, in raffinierte Falten gelegtes Kleid. An Harrison Fords Seite lächelte Calista Flockhart, obwohl der Träger ihres Kleides von der Schulter gerutscht war. Eine vertrauenswürdige Quelle berichtete mir, Spielbergs Film folge einem ehernen Hollywood-Gesetz: "Beginne mit einer Explosion und steigere dich dann."

Am nächsten Morgen knüpfen die Brüder Dardenne nahtlos an die Größe ihrer vorangegangen Filme an. Ihr Wettbewerbsbeitrag "Le silence de Lorna" ("Lornas Schweigen") schafft es wie zuvor "Lenfant" (Goldene Palme 2005) oder "Rosetta" (Goldene Palme 1999), eine tiefe Erschütterung ins Bild zu setzen - ohne Pathos und ohne den falschen Humanismus, der so oft am Werk ist, wenn Filme von Menschen am unteren Rand der Gesellschaft handeln. Es ist eine Erschütterung, die daher rührt, dass diese Menschen mehr als nur ihre Arbeitskraft zu Markte tragen müssen. Immer wieder wählen die belgischen Autorenfilmer Konstellationen, in denen die Figuren buchstäblich sich selbst aufs Spiel setzen; immer wieder exerzieren sie die Frage, was man für Geld tut und wie viel man von sich selbst verkauft, an exemplarischen Fällen durch.

Lorna, eine junge Frau aus Albanien (Arta Dobroshi), hat in "Le silence de Lorna" zwar einen Freund, geht aber eine Scheinehe ein, um die belgische Staatsangehörigkeit zu erlangen. Ihr Ehemann, Claudy (Jérémie Renier), ist Junkie. Der perfide Plan von Lornas Hintermännern sieht vor, dass Claudy an einer Überdosis Heroin stirbt, sobald Lorna Belgierin geworden ist - damit sie wiederum, gegen Zahlung von 10.000 Euro, einen Russen heiraten kann. Der Film setzt ein, kurz bevor Lorna den belgischen Pass in den Händen hält. Überraschend beginnt Claudy einen Entzug. Lorna sucht um die Scheidung an; sie verletzt sich selbst am Türrahmen, um Claudy Gewalttätigkeit zu unterstellen und so das amtliche Procedere zu beschleunigen. Die Polizei glaubt ihr nicht ganz. So kommt es etwas später im Krankenhaus zu einer quälenden Szene: Lorna überredet Claudy, sie zu schlagen. Er wehrt sich, bis er sie schließlich doch ohrfeigt. Sie sagt: "Mit der Faust." Er kann es nicht, fällt fast in sich zusammen, sie rammt ihren Kopf gegen die Wand.

Die Kamera von Alain Marcoen verhält sich ruhiger als in früheren Filmen. Gedreht wurde nicht auf 16 mm, sondern auf 35 mm; die Einstellungen erlauben mehr Überblick, da die Kamera nicht mehr an den Figuren klebt und seltener wie atemlos hinter ihnen herläuft. Das Ergebnis aber ist nicht minder beklemmend.

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Cristina Nord
Kulturredakteurin