In eigener Sache: Entspannt durch Neuland
Warum es wichtiger ist, eigene Wege zu gehen, anstatt einfach nur Entwicklungen aus den USA zu kopieren. Zwölf Gedanken zur digitalen Zukunft.
Digital ist besser – das haben sich 1995 sowohl Tocotronic als auch die taz gedacht. Letztere geht in diesem Jahr als erste deutsche Tageszeitung online, und Tocotronic veröffentlichen mit „Digital ist besser“ ihr erstes Album. Einer der Songs handelt von der Musikrichtung Grunge, so gut, aber unerreichbar weit weg: „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk“. Mit Tocotronic und ihrem Fernweh entsteht schließlich eine ganz eigene Musikrichtung, die Hamburger Schule. Aus der Kombination dieser beiden Geschichten, von taz und Tocotronic, ergeben sich zwölf Punkte für die Zukunft des Journalismus.
1.
Das Alte interessiert die Jungen nicht mehr. Verlage verdienen zwar mit dem Verkauf von gedruckten Zeitungen noch Geld, allerdings immer weniger. Immer mehr Menschen lesen digitale Produkte – denen allerdings ein ausreichendes Finanzierungskonzept fehlt. Wie kann dieser Medienwandel gelingen?
2.
„Wir sind hier nicht im Silicon Valley, Katrin.“ Viele starren auf der Suche nach Antworten in Richtung USA. Doch Deutschland ist anders. Der hiesige Altersdurchschnitt beträgt 46 Jahre gegenüber 38 Jahren in den Vereinigten Staaten. Das spielt für die Entwicklung des Onlinejournalismus eine Rolle.
3.
Was haben wir sie 2013 ausgelacht, als Angela Merkel ihr Unwissen über das Netz preisgab und es „Neuland“ nannte. Aber auch hier haben die Deutschen die Kanzlerin, die zu ihnen passt. Die Wirtschaftswoche schrieb etwa im Herbst von den „digital losers“: Nur jede_r zwölfte Manager_in hierzulande sei fit für die digitale Transformation.
4.
Alle reden über Facebook – aber nur die Hälfte aller Internetnutzer_innen ist in Deutschland überhaupt in sozialen Netzwerken unterwegs. In den USA sind es 76 Prozent. Auch kommen nicht alle nur noch über soziale Medien auf Nachrichtenseiten – auf taz.de sind es nur 13 Prozent.
5.
Die Deutschen sind also in der Online-Welt etwas langsam. Daraus muss sich keine Fortschrittsfeindlichkeit ergeben. Diese Erkenntnis könnte eher die nötige Entspanntheit bringen, um sich auf die Entwicklungen zu konzentrieren, die zur eigenen Zeitung und den eigenen Leser_innen passen.
6.
Tocotronic gehören 20 Jahre nach der Seattle-Nostalgie zu den erfolgreichsten deutschen Bands. Das wären sie aber nicht, würden sie wie damals noch Trainingsjacken tragen und hätten sie nicht Rick McPhail dazugeholt.
7.
Etwas Eigenes zu begründen ist ein erster Schritt – und dann muss die Entwicklung weitergehen. Die taz geht schon immer ihren eigenen Weg. Von ihrer Gründung, über die Genossenschaft bis zum freiwilligen Bezahlmodell „taz.zahl ich“. Darum geht es einerseits: zahlen für die taz, nicht für den einzelnen Text.
8.
Auch wenn manche meinen, es zähle nur noch die Marke der einzelnen Journalistin – am Ende zählt das Gesamtpaket. Und das ist mehr als die Summe der einzelnen Teile. Guter Journalismus ist Teamarbeit und wird auch als solche wahrgenommen. Selbst auf Facebook folgen Nutzer_innen lieber einem Medium, nicht den einzelnen Schreibenden.
9.
Das Team braucht Geld. Das Prinzip „Wir machen online erst einmal und dann kommt das Geld schon“ funktioniert nicht. Selbst eine New York Times mit all ihren Innovationen im digitalen Bereich müsste ihre Onlineaktivitäten einstellen, blieben die Printverkäufe weg.
10.
„taz.zahl ich“ bedeutet aber auch: alle für eine. Es gibt keine Bezahlschranke für einzelne Artikel oder gar für die ganze Seite, sondern hier zahlen alle, damit die einzelne Person kostenlos lesen kann. Und damit taz.de sich weiterentwickelt. Weg mit den Trainingsjacken!
11.
Die taz ist seit 20 Jahren kostenlos online. Damit sie aber auch noch in 20 Jahren verlässlich die bürgerliche Medienlandschaft stört – egal ob auf Papier, über Smartphone oder Virtual Reality-Brille –, brauchen wir jetzt die Unterstützung dafür.
12.
„Und alles, was wir hatten. Und alles, was wir machen. Schätzchen, lass es krachen. Und komm zu mir.“
taz lesen kann jede:r
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