Impfstopp mit Astrazeneca: „Nicht für Männer stoppen“
Hausärzte dürfen U-60-Jährige theoretisch weiter mit Astrazeneca impfen – aber werden das kaum tun, sagt der Hausärzteverband.
![](https://taz.de/picture/4775960/14/236942133-1.jpeg)
taz: Herr Kreischer, was bedeutet der erneute Impfstopp für AstraZeneca, für alle Menschen unter 60 Jahren und für den Impffortschritt in Berlin?
Wolfgang Kreischer: Für die Schnelligkeit beim Impfen, die wir jetzt so dringend brauchen, ist das desaströs. Aber die Ereignisse überschlagen sich auch gerade. Wir wissen kaum, was morgen sein wird.
Ab Karfreitag sollen dafür nun auch die 60-69-Jährigen geimpft werden – in den Impfzentren und in den 100 Berliner Praxen, die schon seit Anfang März im Rahmen eines Modellprojekts impfen.
ist Hausarzt und Vorsitzender des Vorstands des Hausärzteverband Berlin und Brandenburg e.V.
Eigentlich sollten die Hausarztpraxen ab Dienstag nach Ostern auch anfangen, geringe Mengen des Wirkstoffs von Biontech zu verimpfen, etwa 20 Dosen pro Praxis. Das kann gesteigert werden auf 50. Aber es gibt kaum Praxen, die das Maximum anfordern.
Warum nicht?
Weil wir den innerhalb von fünf Tagen verimpfen müssen, solange kann er im Kühlschrank aufbewahrt werden. Und die Hausarztpraxen haben ja nur montags bis freitags ihre Öffnungszeiten. Jetzt, mit dem Impfstopp für AstraZeneca kann es natürlich sein, dass wir auch deutlich mehr Dosen von diesem Wirkstoff bekommen, weil der in den Impfzentren nicht mehr verbraucht werden kann. Aber das wissen wir noch nicht.
Astrazeneca soll nach dem Stopp für Jüngere in Berlin kein Ladenhüter bleiben. Ab sofort stehe er der Altersgruppe von 60 bis 70 Jahren zur Verfügung, wenn sie bisher noch keine Einladung erhalten habe, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit am Mittwoch mit. Das seien rund 300.000 Menschen, die nicht unter chronischen Krankheiten leiden.
Termine können Berechtigte ab Donnerstag ausschließlich telefonisch bei der Impfhotline unter der Nummer 030 90282200 erhalten. Die Termine können für den 2. bis 6. April im Impfzentrum Tegel oder vom 2. bis 11. April im Impfzentrum Tempelhof gebucht werden. Außer Astrazeneca steht für diese Gruppe kein anderer Impfstoff zur Verfügung. (dpa)
Die HausärztInnen dürften AstraZeneca dann auch unter-60-Jährigen geben – wenn sie es nach einer individuellen Risikoabwägung für vertretbar halten. Werden die ÄrztInnen das tun?
Ja, mit Vorbehalt. Es ist eine Haftungsfrage: Wenn ich den an Patienten verimpfe, die aus der Impfempfehlung rausfallen, dann trage ich als Arzt die Verantwortung. Das geht nicht.
Das heißt, praktisch ist diese Ausnahmeregelung unbrauchbar?
Es sei denn, man lässt sich vom Patienten unterschreiben, dass er das Risiko übernimmt. Aber auch dieses juristische Risiko würde ich nicht tragen wollen. Da kann es dann schnell heißen, die Aufklärung sei nicht richtig erfolgt oder der Patient kann sagen, er habe nicht verstanden, was er unterschreibt.
2,7 Millionen verimpfte Dosen AstraZeneca in Deutschland, 31 dokumentierte Fälle von Hirnvenenthrombosen – ist der Stopp aus Ihrer Sicht verhältnismäßig?
Man hätte AstraZeneca nicht für Männer stoppen müssen. Und man hätte den Impfstoff für Frauen nach der Menopause grundsätzlich freigeben können. Natürlich brauchen wir Rechtssicherheit. Aber es ist schon so, dass hier in Deutschland oft danach gefragt wird, was alles schiefgehen kann.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben