Impfstopp mit Astrazeneca: „Nicht für Männer stoppen“
Hausärzte dürfen U-60-Jährige theoretisch weiter mit Astrazeneca impfen – aber werden das kaum tun, sagt der Hausärzteverband.
taz: Herr Kreischer, was bedeutet der erneute Impfstopp für AstraZeneca, für alle Menschen unter 60 Jahren und für den Impffortschritt in Berlin?
Wolfgang Kreischer: Für die Schnelligkeit beim Impfen, die wir jetzt so dringend brauchen, ist das desaströs. Aber die Ereignisse überschlagen sich auch gerade. Wir wissen kaum, was morgen sein wird.
Ab Karfreitag sollen dafür nun auch die 60-69-Jährigen geimpft werden – in den Impfzentren und in den 100 Berliner Praxen, die schon seit Anfang März im Rahmen eines Modellprojekts impfen.
ist Hausarzt und Vorsitzender des Vorstands des Hausärzteverband Berlin und Brandenburg e.V.
Eigentlich sollten die Hausarztpraxen ab Dienstag nach Ostern auch anfangen, geringe Mengen des Wirkstoffs von Biontech zu verimpfen, etwa 20 Dosen pro Praxis. Das kann gesteigert werden auf 50. Aber es gibt kaum Praxen, die das Maximum anfordern.
Warum nicht?
Weil wir den innerhalb von fünf Tagen verimpfen müssen, solange kann er im Kühlschrank aufbewahrt werden. Und die Hausarztpraxen haben ja nur montags bis freitags ihre Öffnungszeiten. Jetzt, mit dem Impfstopp für AstraZeneca kann es natürlich sein, dass wir auch deutlich mehr Dosen von diesem Wirkstoff bekommen, weil der in den Impfzentren nicht mehr verbraucht werden kann. Aber das wissen wir noch nicht.
Astrazeneca soll nach dem Stopp für Jüngere in Berlin kein Ladenhüter bleiben. Ab sofort stehe er der Altersgruppe von 60 bis 70 Jahren zur Verfügung, wenn sie bisher noch keine Einladung erhalten habe, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit am Mittwoch mit. Das seien rund 300.000 Menschen, die nicht unter chronischen Krankheiten leiden.
Termine können Berechtigte ab Donnerstag ausschließlich telefonisch bei der Impfhotline unter der Nummer 030 90282200 erhalten. Die Termine können für den 2. bis 6. April im Impfzentrum Tegel oder vom 2. bis 11. April im Impfzentrum Tempelhof gebucht werden. Außer Astrazeneca steht für diese Gruppe kein anderer Impfstoff zur Verfügung. (dpa)
Die HausärztInnen dürften AstraZeneca dann auch unter-60-Jährigen geben – wenn sie es nach einer individuellen Risikoabwägung für vertretbar halten. Werden die ÄrztInnen das tun?
Ja, mit Vorbehalt. Es ist eine Haftungsfrage: Wenn ich den an Patienten verimpfe, die aus der Impfempfehlung rausfallen, dann trage ich als Arzt die Verantwortung. Das geht nicht.
Das heißt, praktisch ist diese Ausnahmeregelung unbrauchbar?
Es sei denn, man lässt sich vom Patienten unterschreiben, dass er das Risiko übernimmt. Aber auch dieses juristische Risiko würde ich nicht tragen wollen. Da kann es dann schnell heißen, die Aufklärung sei nicht richtig erfolgt oder der Patient kann sagen, er habe nicht verstanden, was er unterschreibt.
2,7 Millionen verimpfte Dosen AstraZeneca in Deutschland, 31 dokumentierte Fälle von Hirnvenenthrombosen – ist der Stopp aus Ihrer Sicht verhältnismäßig?
Man hätte AstraZeneca nicht für Männer stoppen müssen. Und man hätte den Impfstoff für Frauen nach der Menopause grundsätzlich freigeben können. Natürlich brauchen wir Rechtssicherheit. Aber es ist schon so, dass hier in Deutschland oft danach gefragt wird, was alles schiefgehen kann.
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