Impfstoffhersteller mit Milliardenplus: Biontech drängt auf dritte Dosis
Das Mainzer Unternehmen fährt Milliardengewinne ein. Und fragt sich: Besser in der EU auffrischen oder in Afrika impfen?
![eine Spritze wird mit dem Impfstoff von biontech aufgezogen eine Spritze wird mit dem Impfstoff von biontech aufgezogen](https://taz.de/picture/5025151/14/27911350-1.jpeg)
Als Lösung bieten die Hersteller von mRNA-Impfstoffen die Gabe einer dritten Dosis an. Da diese die Immunität noch einmal gewaltig nach oben treibt, hätte auch Delta keine Chance – so die Hoffnung. In Europa drängt besonders der Impfstoffhersteller Biontech aus Mainz auf diesen Weg.
Bei Vorstellung einer Zwischenbilanz des Unternehmens am Montag gehörte die mögliche Zulassung einer Auffrischung zu den zentralen Themen. Genau wie der Profit mit dem Impfstoff. Dieser ist jetzt schon atemberaubend.
Von April bis Juni zog der Biontech-Gewinn auf 2,8 Milliarden Euro an, weil weitere Zahlungen für die Lieferungen eingegangen sind. Im selben Vorjahresquartal war es wegen Forschungsausgaben und noch keinem marktfähigen Produkt ein Verlust in Höhe von 88,3 Millionen Euro gewesen.
Ein Drittel mehr Umsatz
Das ist aber erst der Anfang. Biontech erwartet mit den bisher eingegangenen Aufträgen für Covid-19-Impfungen im Jahr 2021 einen Umsatz von 15,9 Milliarden Euro. Es könnte sogar noch mehr werden, denn die aktuelle Umsatzerwartung basiert laut dem Unternehmen auf den bis 21. Juli unterzeichneten Verträgen für die Lieferung von rund 2,2 Milliarden Impfdosen bis Jahresende. Bis zum Jahresende peilen Biontech und US-Partner Pfizer eine Produktion von 3 Milliarden Dosen an.
Das Drängen des Unternehmens auf die dritte Impfung weckt angesichts solcher Zahlen einen Verdacht: Drei statt zwei Dosen für einen Großteil der Bevölkerung, das bedeutet auch deutlich mehr Umsatz für die Anbieter. Da Biontech gleichzeitig darauf pocht, dass die vollständige Impfung gut vor Delta schützt, könnten hier Gewinninteressen im Vordergrund stehen.
Biontech wies diese Interpretation jedoch am Montag von sich und führte wissenschaftliche Gründe für die Auffrischung für alle an: Schon sechs Monate nach der zweiten Dosis nehme die Schutzwirkung nach Beobachtungen aus Israel bereits ab. „Wir gehen auf Basis der Datenlage davon aus, dass es wahrscheinlich ist, dass eine dritte Dosis nach 6 bis 12 Monaten nach der vollständigen Impfung nötig werden könnte“, glaubt Biontech.
„Zwar ist der Schutz vor einem schweren Verlauf während der 6 Monate hoch, doch er nimmt ab.“ Die Zahl der Antikörper sei nach der dritten Dosis dagegen noch einmal fünf- bis zehnmal höher als nach der zweiten, teilte das Unternehmen mit.
Bald Antrag auf Zulassung
Damit steigt nach Einschätzung der Forscher auch der Schutz vor Delta noch einmal stark an. Biontech plant daher, schon bald eine Zulassung für die Auffrischung zu beantragen. Schließlich sei auch mit dem Aufkommen weiterer Varianten zu rechnen. Der Unterschied der Wirkung des Biontech-Produkts auf Delta im Vergleich zur Ursprungsvariante jedenfalls sei nicht entscheidend. „Es gibt keinen Beleg dafür, dass eine Anpassung des Impfstoffs nötig ist“, erklärte Biontech. Auch Ärzte befürworten anlässlich der guten Verträglichkeit grundsätzlich eine Auffrischung, sobald der Impfschutz nachlässt – auch wenn mangels Erfahrung bisher keiner sagen kann, wann dies so weit sein wird.
Doch in den Ländern des Globalen Südens liegt die Impfquote erst um 1 Prozent der Bevölkerung. Nicht nur ethische Erwägungen sprechen deshalb dafür, die Impfdosen zunächst den benachteiligten Ländern zur Verfügung zu stellen, bevor reiche Länder sich den Totalschutz gönnen, sondern auch Eigeninteresse: Solange Corona in ärmeren Ländern wütet, sind diese Brutstätte für weitere Mutanten. Das weiß auch Biontech. „Um mit der Pandemie umzugehen, dehnen wir die Versorgung mit unserem Covid-19-Impfstoff auf Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen aus“, versprach Firmenchef Uğur Şahin.
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