Impfstoff gegen Coronavirus: China erteilt erstmals Patent
Ein Serum befindet sich in der letzten Testphase. Die Volksrepublik hat weltweit die meisten Kandidaten im Rennen um einen Impfstoff.
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Zumindest wenn man bei einem Staatsunternehmen arbeitet, erzählt eine junge Angestellte aus Peking. „Die Manager haben sich allesamt impfen lassen, wahrscheinlich um als gutes Beispiel voranzugehen. Bei vielen Mitarbeitern herrscht aber noch Skepsis“, sagt die Chinesin, die anonym bleiben will. Ob sie sich selbst impfen lassen möchte? „Der ersten Versuchsgruppe will ich nicht angehören. Wie kann ich mir sicher sein, ob es sicher ist oder nicht?“
Am Sonntag jedoch hat die staatliche Behörde für geistiges Eigentum nun erstmals bekannt gegeben, eine Patentzulassung für einen Impfstoff erteilt zu haben. Der unter dem Namen „Ad5-nCOV“ bekannte Kandidat des Pharmaunternehmens Cansino Biologics mit Sitz in Tianjin demonstriere damit laut Staatsmedien, „originär und kreativ“ zu sein.
Das nationale Patent würde zudem „das Vertrauen auf dem internationalen Markt erhöhen“. Zumindest die Aktien des Pharmaherstellers sind am Montagmorgen in die Höhe geschnellt, an der Börse in Hongkong gar um 14 Prozent.
China hat die meisten Impf-Kandidaten
Derzeit befindet sich das Serum in der dritten und damit letzten Testphase in Saudi-Arabien mit über 5.000 Probanden. Bereits Ende Juli publizierte das chinesische Start-up seine Resultate der zweiten Testphase, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft als effizient und sicher goutiert wurden. Schon bald könne der Impfstoff „im Falle eines Ausbruchs“ produziert werden – und zwar auf bis zu zweihundert Millionen Dosen jährlich.
Kein anderes Land hat derzeit ähnlich viele pharmazeutische Firmen im Rennen um einen Corona-Impfstoff: Neun von insgesamt 29 Kandidaten, die sich mittlerweile in klinischen Tests am Menschen befinden, wurden in der Volksrepublik entwickelt. Von den derzeit sieben Kandidaten in der finalen dritten Testphase kommen gar fünf aus China.
Bei den vielversprechendsten Vakzine-Projekten fusioniert die innovative Privatwirtschaft mit der ressourcenreichen Staatsmacht: Bei Cansino Biologics handelt es sich zwar um ein Start-up, doch die Forschung führt es mithilfe von Wissenschaftlern der Volksbefreiungsarmee durch.
Seit über einem Jahrzehnt hat die Volksrepublik so viele Impfstoffpatente gegen Infektionskrankheiten angemeldet wie kein anderer Staat. Gleichzeitig haben sich die Arzneimittel bislang nur selten auf dem internationalen Markt behaupten müssen. All das – gepaart mit einigen Impfstoffskandalen in der Vergangenheit – sorgt jedoch dafür, dass den chinesischen Impfstoffen oftmals mit einer gewissen Skepsis begegnet wird.
Zugang auch für Entwicklungsländer
Im Falle von Corona setzt China bei seinen Impfstoffen vor allem auf sogenannte „inaktivierte“ Versionen. Diese täuschen dem Körper gewissermaßen eine Infektion vor. Jener Ansatz gilt als durchaus sicher und hat sich bei vergangenen Epidemien bereits bewährt, doch hat er auch einen Nachteil: Die Produktion „inaktivierter“ Impfstoffe ist arbeitsintensiv und daher ineffizient. In Europa haben Forscher daher einen anderen Weg gewählt.
Bereits im Mai hat Chinas Präsident Xi Jinping beim alljährlichen Treffen der Weltgesundheitsorganisation WHO versprochen, einen möglichen Impfstoff aus China als globales Gut zu deklarieren: Dies solle „den Zugang des Impfstoffs für Entwicklungsländer sicherstellen“. Zugleich wächst natürlich innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft die Sorge vor einer Impfstoffdiplomatie, die die Vakzine für politische Zwecke missbraucht.
Pekings Außenministerium etwa hat bereits den Philippinen besondere Zugangsrechte für Impfstoffkandidaten aus China zugesichert, wobei es zwischen beiden Staaten Spannungen um ihre jeweiligen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer gibt. Auch hat Chinas Führung lateinamerikanischen Ländern Impfstoffkredite versprochen – wohl nicht zufällig direkt im politischen Einflussgebiet der USA.
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