Impfskandal in Argentinien: Anruf beim Amigo genügt
In Argentinien erschleicht sich sogar der Chef einer Menschenrechtsorganisation einen früheren Impftermin. Der Gesundheitsminister musste gehen.
„Ich rief meinen alten Freund Gines González García an, den ich schon lange vor seiner Amtszeit als Gesundheitsminister kannte, und er sagte mir, ich müsse ins Posadas-Krankenhaus. Als ich gerade gehen wollte, erhielt ich eine Nachricht von seinem Sekretariat, ich soll zum Ministerium kommen, um mir dort den Impfstoff geben zu lassen“, so der erfahrene Journalist, der mit einem Alter von 79 Jahren zu diesem Zeitpunkt keiner Personengruppe angehörte, die auf der Prioritätenliste der Regierung Vorrang hatte.
Die Mitarbeitenden des CELS zeigten sich geschockt. „Wir haben erfahren, dass der Vorsitzende unserer Organisation abseits des vorgeschriebenen Wegs und über besondere Beziehungen geimpft wurde, während wir wie alle versuchten, einen Impftermin für die Älteren in unseren Familien zu bekommen“, twitterten sie über den offiziellen Account der Menschenrechtsorganisation. Das Verhalten ihres Vorsitzenden repräsentiere weder ihre Arbeit noch ihre Einstellungen, fügten sie hinzu.
Verbitsky hat inzwischen Reue gezeigt. „Es war ein schwerwiegender Fehler, den ich bedauere und für den ich mich entschuldige“, bekannte er. Warum der mit allen journalistischen Wassern Gewaschene überhaupt an die Öffentlichkeit ging, erklärte er nicht. Vieles deutet darauf hin, dass er lediglich einer Bekanntmachung seiner Gefälligkeitsimpfung durch die Medien der regierungskritischen Clarín-Gruppe zuvorkommen wollte. Denn mindestens einen Tag vor seinem Interview war bekannt geworden, dass Clarín von den VIP-Impfungen im Gesundheitsministerium wusste und damit groß aufmachen wollte.
Neue Gesundheitsministerin ist Infektiologin
Inzwischen werden immer mehr Details bekannt. So sollen 3.000 Impfdosen ausschließlich für das Ministerium reserviert gewesen sein. Diese wurden keinesfalls für mögliche Notfälle reserviert. Die bisher bekannte Liste der VIP-Geimpften beinhaltet ausschließlich Namen von Personen, die zum Zeitpunkt der Impfung keinerlei Priorität besaßen.
Der Frust beim medizinischen Personal ist groß. „Seit Monaten stehen wir täglich dem Virus gegenüber und noch immer haben viele von uns keinen Impftermin“, grollte eine Krankenhausangestellte im Fernsehen ins Mikrofon.
Präsident Alberto Fernández bemühte sich um Schadensbegrenzung. Kaum waren am Freitag die ersten Details öffentlich bekannt geworden, verlangte er den Rücktritt des Gesundheitsministers Gines González García. Am Samstag nahm er Carla Vizzotti den Eid als neue Gesundheitsministerin ab.
Die 48-jährige Infektiologin ist den Argentinier*innen bestens bekannt. Seit knapp einem Jahr informiert sie bei den morgendlichen Pressekonferenzen des Gesundheitsministeriums die Öffentlichkeit über die aktuelle Coronalage. Vizzotti war es auch, die im vergangenen Jahr nach Moskau geflogen war, um mit den russischen Behörden die Lieferungen des Impfstoffs Sputnik V auszuhandeln.
Bei der Verwendung von Sputnik V ist Argentinien Vorreiter in der Region – seit Ende Dezember wird mit dem russischen Vakzin geimpft. Bisher wurden rund 1,3 Millionen Dosen eingeflogen. Dennoch haben erst 240.000 der 45 Millionen Argentinier*innen beide Dosen verabreicht bekommen. Vorrangig geimpft wurden das Gesundheitspersonal sowie über 80-Jährige. Seit Anfang der Woche erhalten auch die über 70-Jährigen einen Impftermin. Diesen hätte sich der CELS-Vorsitzende Horacio Verbitsky jetzt ordnungsgemäß geben lassen können.
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