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Impf-VordränglerInnen ausbremsenEs braucht ein klares Stopp-Signal

Friederike Gräff
Kommentar von Friederike Gräff

Wer beim Impfen vordrängelt, schadet anderen. Und wer dabei die Rechte von Schutzbefohlenen verletzt, sollte nicht mit einem Bußgeld davonkommen.

Der Reihe nach: fürs Vordrängeln beim Impfen gibt es keine Entschuldigung Foto: Sebastian Gollnow/dpa

E s kursieren derzeit zwei Erklärungen fürs Vordrängeln beim Impfen: Man habe übrige Impfdosen vor dem Verfall bewahren wollen, heißt die eine. Die zweite: Man sei in engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen, deshalb sei es zu deren Schutz, wenn man selbst geimpft werde. Dabei geht es dann nicht etwa um Pflegekräfte, sondern um VerwaltungmitarbeiterInnen der oberen Ebene wie jüngst in Hamburg.

Die erste Erklärung ist etwas weniger jämmerlich als die zweite: Es geschieht tatsächlich, dass Impfdosen nicht wie geplant eingesetzt werden können. Aber für genau diese Fälle lässt sich vorsorgen – durch eine gut gepflegte Warteliste von ImpfkandidatInnen, durch genaue Regelungen, wie mit Restdosen alternativ Rettungskräfte oder Impfpersonal geimpft werden.

Die zweite Erklärung ist schlicht ein Armutszeugnis. Und der Hamburger Fall ist um so erbärmlicher, als die Betreffenden unmittelbar vor Augen haben, wem sie die Impfdosen wegnehmen: den AltenheimbewohnerInnen, die ihrer Sorge anvertraut sind und den Pflegekräften, die täglich in unmittelbarem Kontakt mit ihnen stehen.

Man muss nicht einmal den altertümlich wirkenden Begriff von Vorbildfunktion bemühen: Es geht schlicht um Ehrlichkeit und Verantwortung. Derzeit trägt man die schon in jedem banalen Supermarkt an der Kassenwarteschlange. Nach einem Jahr Pandemie liegen bei vielen die Nerven blank und was zu Beginn an Solidarität zu spüren war, bröckelt. Um so klarer muss da das Stopp-Signal sein, wo die grundlegenden Regeln verletzt werden.

Wer jetzt seine Position nutzt, um auf Kosten von Schwächeren geimpft zu werden, der sollte nicht mit einem Bußgeld davonkommen, das Gesundheitsminister Spahn ohnehin noch auf den Weg bringen muss. Das ist so inakzeptabel, dass die Verantwortlichen auf ihren Posten nicht zu halten sind. Und wenn das Arbeitsrecht das nicht hergibt, dann sollte das der gesellschaftliche Druck tun.

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Friederike Gräff
Redakteurin taz nord
Ausgebildet an der Deutschen Journalistenschule. Interessiert sich dafür, was Menschen antreibt, sei es in Gerichtsprozessen oder in langen Interviews. Hat ein Sachbuch übers Warten geschrieben, "Warten. Erkundungen eines ungeliebten Zustands", Chr.Links Verlag und eines übers Schlafen "Schlaf. 100 Seiten", Reclam. Im Februar 2025 erscheint ihr Erzählband "Frau Zilius legte ihr erstes Ei an einem Donnerstag" bei Schöffling.
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1 Kommentar

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  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    Eindeutig Verletzung des Eigentumsrecht ...von der Respektlosigkeit gegenüber den Mitmenschen einmal ganz abgesehen.